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Frau Ella

Frau Ella

Titel: Frau Ella Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Beckerhoff
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hörte sie Musik aus der Stube, und er stand wieder in der Küchentür.
    »Sobald das Wasser kocht, noch genau ein Lied.«
    »Aha«, sagte sie.
    »Probleme gibt es nur, wenn gerade Werbung oder Nachrichten laufen, mit Musik klappt es aber immer. Das sind musikalische Eier.«
    Jetzt griff er nach einem Schneebesen und fing an, die Milch aufzuschlagen. Sie hatte wirklich keine Lust auf Pudding. Gleich würden die Eier platzen.
    »Ist Ihnen übrigens kalt? Wollen Sie eine Decke?«
    »Besten Dank«, entfuhr es ihr, da sie sich an die mottenzerfressene Decke auf dem Sofa erinnerte. »Nein, es geht schon. Vielleicht nach dem Frühstück.«
    »Der Pfleger bringt ja nachher Ihre Sachen. Vergessen Sie solange einfach, dass ich da bin.«
    »Machen Sie sich keine Gedanken.«
    Mittlerweile kochte das Wasser. Sie versuchte, an ihm vorbei zu gucken.
    »Das Lied läuft schon zu lange«, sagte er. »Wir nehmen einfach noch den Anfang vom nächsten mit, bis zum ersten Refrain, das sollte reichen.«
    Auch als er zur Seite trat, konnte sie von ihrem Stuhl aus nicht in den Topf blicken. Sie musste abwarten, bis das Wasser überschäumte. Noch war aber nichts zu sehen. Stattdessen kam er zum Tisch, nahm die Tassen mit zur Anrichte und füllte sie mit dem Kaffee aus der Kanne und der Puddingmilch. Er servierte ihr eine der beiden Tassen nach Manier eines regelrechten Kellners.
    »So, hier ist Ihr Latte macchiato.«
    »Wie bitte?«
    »Ein Kaffee mit Milch, also eigentlich mit Milchauge oder so. Ein einäugiger Kaffee sozusagen. Das ist Italienisch.«
    »Und der Kaffee?«
    »Keine Ahnung. Wie gesagt, war nur ein Spaß. Das bestellt man so im Café. Ist so eine Mode.«
    Das wurde ja immer besser, dachte sie.
    »Verdammt, die Eier. Ist der erste Refrain schon vorbei?«, rief er plötzlich und stürzte zurück an den Herd, auf dem immer noch nichts übergekocht war. Der Dotter war bestimmt längst hart. So kochte man wirklich keine Eier!
    Sie konnte es kaum glauben, als sie ihr Frühstücksei schließlich köpfte, und der Dotter genau die Schlieren auf dem Messer hinterließ, die er hinterlassen musste. Ein perfektes Ei, fast so, als hätte sie es gekocht. Dafür schmeckte der Kaffee, wie sie es erwartet hatte, nicht nach Kaffee, sondern nach Milch, aber sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Schließlich gab der Junge sich alle Mühe, lächelte immer wieder zu ihr herüber, und sie lächelte zurück, um ihm zu zeigen, dass es ihr bei ihm schmeckte. Sie sagte auch nichts, als er den Teig aus dem Brötchen zu kleinen Kügelchen formte und in sein Ei fallen ließ. Was hätte sie auch sagen sollen? Dass er bei Tisch nicht besonders gut erzogen war, hatte sie ja schon am Abend im Krankenhaus feststellen können. Seinen Kaffee schlürfte er jedenfalls, doch es gab Schlimmeres.
    »Ist das auch so eine Mode mit den Kügelchen?«, hörte sie sich sagen.
    »Was?«, fragte er.
    »Diese Kügelchen, die Sie aus dem Teig machen und ins Ei werfen, ist das auch eine Mode, so wie dieser milchige Kaffee und die musikalischen Eier?«
    »Schmeckt es Ihnen nicht?«, fragte er, und sie begriff gar nicht so recht, was sie da schon wieder angestellt hatte.
    »Doch, doch, entschuldigen Sie, so war das nicht gemeint. Ich versuche nur, mich zurechtzufinden. Die Eier sind exzellent. Exzellent!«, sagte sie schnell, und er lächelte wieder. So ein empfindlicher junger Mann!
    »Da bin ich aber beruhigt. Schließlich sind Sie seit Monaten die erste Frau, die mal wieder bei mir frühstückt, auch wenn Sie noch nicht hier übernachtet haben.«
    »Exzellent!«, sagte sie noch einmal. »Wie im Hotel.«
    »Das war aber auch nötig nach diesem Morgen. Ich habe übrigens überlegt, dass Sie sich ja gleich in mein Bett legen könnten. Ich beziehe es Ihnen schnell frisch. Vielleicht wollen Sie ja noch ein bisschen schlafen.«
    »Jetzt schlafen?«
    »Na ja, nach dem Morgen und dieser Tablette. Die Wirkung hält bestimmt noch an. Heute Abend bringe ich Sie dann nach Hause, wenn Sie wieder ganz fit sind.«
    »Aha. Nach Hause also.«
    Sie versuchte, sich zu erinnern. Lag es wirklich an diesem Traubenzucker, dass sie sich so fremd fühlte, so wenig von dem verstand, was um sie herum geschah? Sie versuchte, sich zu erinnern, ob sie vorhin auf diesem Sofa wirklich aufgewacht war oder nicht doch nur kurz da gesessen hatte. Wie spät war es überhaupt? Sie fühlte sich verloren, sehnte sich weg von all diesen Dingen, die sie nicht verstand.
    »Frau Ella?«, hörte sie ihn fragen und

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