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Frau Ella

Frau Ella

Titel: Frau Ella Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Beckerhoff
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ihren komischen neuen Namen. »Auf geht’s!«

4

    DAS HÄTTE ER SICH EIGENTLICH denken können. Kein Lebenszeichen von diesem Pfleger. Stattdessen Frau Ella in seinen Joggingklamotten auf seinem Sofa. Eine großartige Flucht war das, die er da hingelegt hatte. Weg aus dem Krankenhaus und mit der Alten schnurstracks in seine Wohnung. Ihm gelang einfach alles. Das war ja nicht mehr ernst zu nehmen. Natürlich war Frau Ellas Situation um einiges unangenehmer, aber er tat immerhin sein Bestes, wohingegen sie allein mit ihrer Anwesenheit dafür sorgte, dass er sich schlecht fühlte.
    Mittlerweile hörten sie die Caruso-Arien, die er sich vor Jahren aus der Stadtbücherei ausgeliehen und auf Kassette überspielt hatte. Aus der Stadtbücherei. Auf Kassette überspielt. Als wäre nicht das schon bescheuert genug. Und sie war wirklich die Krönung, wie sie unbeholfen dasaß in dem viel zu großen roten Kapuzenpullover und hoffte, dass der Pfleger sich endlich melden würde. Dieser Idiot hatte doch seine Adresse und seine Nummer, der wusste doch genau, was los war. Das konnte einfach nicht wahr sein, dass der irgendein Spiel mit ihm spielte. Während Frau Ella schlief, hatte Sascha im Krankenhaus angerufen, aber noch nicht einmal irgendjemanden auf der Station erreicht. Er konnte sie ja schlecht vom Krankenwagen abholen lassen oder einfach so in ein Taxi setzen, wenn sie überhaupt wusste, wo sie wohnte. Sie war j a hilflos wie ein Kind! Außerdem war das so ganz legal bestimmt nicht, eine wehrlose Frau auf Drogen mit nach Haus zu nehmen. Was für eine kranke Idee, sie einfach so aus dem Krankenhaus zu entführen, sich aufzuspielen wie ein Fluchthelfer des Grafen von Monte Christo! Er hatte es nicht besser verdient.
    »Schön, dass man diese alten Sachen noch hört«, sagte sie.
    »Ist doch egal, wie alt das ist. Mir gefällt es einfach.«
    »Heute gibt es so etwas sicher nicht mehr, oder? Sie haben wirklich Geschmack.«
    Eine Frau, die seinen Musikgeschmack teilte! Und was für eine. Mit dieser Laune würde der Abend kein gutes Ende finden, und da er keinen Melissengeist hatte, war es wohl an der Zeit, einen Wein aufzumachen. Alles Weitere musste sich ergeben.
    Sascha wollte gerade aufstehen, als es an der Wohnungstür klingelte. Er fuhr zusammen. Konnte das sein, dass jetzt doch alles gut würde? Endlich kam der Pfleger. Er war wie gelähmt, so unerwartet kam die Erlösung.
    »Ich glaube, es hat geklingelt«, sagte Frau Ella. »Wollen Sie nicht aufmachen?«
    Eigentlich konnte er nicht sicher sein, dass da wirklich der Pfleger vor der Tür stand. Genauso gut konnte das ein Nachbar sein, oder irgendein Bekannter, dem er dann diese Oma auf seinem Sofa erklären durfte. Langsam drehte er den Lautstärkeregler zurück und gab ihr Zeichen, ruhig zu sein. Das hatte noch gefehlt! Es klopfte an die Wohnungstür.
    »Sascha?«, hörte er von draußen und begann, innerlich zu weinen. Nicht auch noch Klaus. Mit seinem Getue von wegen wenigstens in die Füße kommen, wenn man schon Pantoffeln trägt, der Macher, der nur Ärger machte, die ewige Nervensäge, sein einziger Freund, wenn man so wollte. Warum, fragte er sich, warum hatte man solche Freunde? Wahrscheinlich weil man sich schon zu lange kannte, zu viel erlebt hatte, um den Kontakt einfach abzubrechen.
    »Sascha, mach auf!«, hörte er Ute rufen.
    Es ging immer noch ein bisschen schlimmer.
    »Warum machen Sie denn nicht auf?«, flüsterte Frau Ella.
    »Pscht!«, zischte er. Er wollte niemanden sehen. Nicht Klaus, nicht Ute, und auch diese Alte sollte einfach verschwinden.
    »Alter, komm mal raus aus’m Tunnel!«, rief Klaus.
    »Das können Sie doch nicht machen«, sagte Frau Ella und stand auf. »Das sind doch bestimmt Freunde von Ihnen. Das gehört sich doch nicht.«
    Er wollte aufspringen und sie zurückreißen, sie daran hindern, vollends die Kontrolle seines Lebens zu übernehmen, so wie jede Frau, die er in seine Wohnung gelassen hatte, irgendwann das Ruder übernommen und ihn zum Matrosen degradiert hatte.
    »Ach, Scheiße«, sagte er und sah sie in Richtung Diele davontapsen. Sie blickte sich noch einmal um, als hätte sie plötzlich Angst vor der eigenen Courage, als wäre auch sie nicht sicher, ob dieser Montag noch eine weitere Wendung brauchte.
    »Machen Sie doch, was Sie wollen.«
    Sie lächelte. Jetzt konnte sie ihm mit seiner Einwilligung das Messer in die Brust rammen.
    Er hörte, wie der Riegel zur Seite geschoben wurde, erkannte das Quietschen der Türklinke,

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