Frau Ella
Frau Ella lächeln. So glücklich war sie vielleicht noch nie gewesen. Und so durcheinander. Und erst mit diesem feinen Kopftuch, dass er ihr zum Sommerkleid gekauft hatte. Nein, hatte er gesagt, über den Preis dürfe sie sich keine Gedanken machen. Seine Großmutter hätte das Geld genauso verwendet, wenn sie noch könnte. Nur habe die nie wirklich Spaß dabei gehabt. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte Frau Ella sich gefühlt, wie eine der Schauspielerinnen in den Spielfilmen abends, denen so unglaubliche Dinge zustoßen, im Guten wie im Schlechten. Nie hätte sie gedacht, dass es das auch in der wirklichen Welt gab, in ihrem Leben.
»Und worauf haben Sie Lust?«, fragte Sascha.
»Das Frühstück ist der Hammer«, sagte Klaus.
»Frühstück?«, fragte Frau Ella.
Zwar wirkte so vieles an diesem Tag unwirklich, sie war sich aber sicher, dass es bereits weit nach Mittag war. Der Einkauf, der Kaffee, den sie anschließend in der Stadt getrunken hatten, die Fahrt mit dem Cabriolet, das hatte schon seine Zeit gebraucht.
»Na ja, so ein Riesenbüfett, das nennt man nur Frühstück. Dann hat man immer das Gefühl, dass man rechtzeitig aus dem Bett gekommen ist und der Tag danach erst richtig losgeht.«
»Aha«, sagte sie. »Das ist wahrscheinlich so eine Mode.«
»Genau«, grinste Klaus.
»So wie dieser Kaffee mit dem Schaum.«
»Als Zeitreisende finden Sie sich ganz schön schnell zurecht bei uns«, lachte er.
»Es gibt auch ganz normales Mittagessen«, sagte Sascha freundlich. Immer wirkte er so besorgt um sie, wenn er nicht gerade beleidigt guckte. Das war schon ein lustiges Gespann, diese beiden jungen Herren. Mehr konnte sie sich eigentlich nicht wünschen. Sascha reichte ihr die Karte, zog sie gleich darauf lächelnd wieder zurück. Wie hätte sie die auch lesen sollen ohne ihre Brille? Ach Gott, sie mussten endlich ins Krankenhaus und ihre Sachen holen!
»Mögen Sie Spargel?«, fragte er, und weg waren die Sorgen.
»Ich liebe Spargel!«, rief sie und sah an den verwirr-
ten Blicken der beiden Jungen und einiger anderer Gäste, dass sie wohl etwas laut geworden war. »Nicht dass Sie jetzt denken, ich möchte schlecht von meinem Mann reden. Nur bei Spargel, da war nichts mit ihm zu machen. Dreckige Franzosenstängel sind das, hat er immer gesagt. Und hier gibt es wirklich Spargel?«
»So viel Franzosenstängel, wie Sie wollen«, lachte Klaus und auch Sascha lächelte. »Nehmen Sie auch ein Steak dazu?«
»Aber ich habe doch gar kein Geld!«
»Also Spargel mit Steak für drei und eine Flasche Grauburgunder«, rief Klaus regelrecht begeistert. »Wissen Sie, Frau Ella, Frauen wie Sie gibt es heute kaum noch. Frauen, mit denen man richtig auf den Putz klopfen kann!«
»Auf einen Dienstagmittag«, sagte Sascha.
»Feste feiern, ohne zu fallen«, ergänzte Klaus.
»Aha«, sagte sie und fühlte sich so gut aufgehoben wie noch nie in ihrem Leben.
»Sie sollten mich übrigens duzen«, sagte Klaus, nachdem der Kellner ihnen eingeschenkt hatte, und sie erinnerte sich, dass auch Sascha im Krankenhaus das gewollt hatte. Sie hatte es versucht, aber wie sollte sie? Sie kannte die beiden doch gar nicht. Damit wollte sie sich nicht beschäftigen.
»Wirklich ein herrliches Fleckchen Erde!«, sagte sie. »Prost, Sie beide!«
Die beiden sahen sich an, als hielten sie sie für meschugge. Meschugge? Wann war ihr denn dieses Wort das letzte Mal begegnet? Ja, die alte Frau Karstens hatte so vieles meschugge genannt. Woher kamen nur diese ganzen Erinnerungen?
»Prost, Frau Ella«, schrien die beiden plötzlich.
»Na hören Sie mal, ich bin doch nicht taub, meine Herren«, lachte sie erschrocken.
Sollten sie nur machen, was sie wollten, sie jedenfalls war regelrecht gerührt von dem Glück, das sie empfand, diesem Gefühl, noch einmal richtig zu leben. Da durften die sich auch gerne ein wenig über sie lustig machen.
Unter sich hörte sie das Wasser gegen die Pfeiler der Seeterrasse plätschern, eine leichte Brise kühlte ihre glühenden Wangen, der Wein kribbelte in ihrem Magen. Plötzlich schreckte sie aus ihren Träumereien auf. Hatte der Darm ihr schon wieder einen Streich gespielt? Die beiden zeigten keine Reaktion. Vielleicht hatten sie nichts gehört, oder es hatte nichts zu hören gegeben, oder es war ihnen egal.
»Sagen Sie, Klaus«, setzte sie an, um das Schweigen zu brechen. »Wo ist denn eigentlich Ihre Freundin?«
»Sie meinen Ute?«, fragte er. »Keine Ahnung. Vielleicht sehen wir sie ja heute
Weitere Kostenlose Bücher