Frau Ella
für den Haushalt gesorgt. Ja, das war meine Arbeit und mein Vergnügen.«
»Haben Sie eigentlich Kinder?«, fragte er.
»Meine Güte«, seufzte sie. »Das waren vielleicht Zeiten, wie Stanislaw im Notquartier in unserer Scheune war, meine Güte! Schmeckt Ihnen der Kaffee?«
»Sehr gut«, sagte er. Ab und an hörte Frau Ella wirklich schlecht. Manche Dinge ließ sie sich vielleicht auch gerne entgehen. Im Krankenhaus hatte sie auch schon so seltsam reagiert, als er nach ihren Verwandten gefragt hatte. Jetzt war sicher nicht der Moment, um mehr herauszufinden. Aber wann dann? In wenigen Stunden würde sie genauso plötzlich aus seinem Leben verschwinden, wie sie darin aufgetaucht war. Das konnte nicht wahr sein. Das war kein Zufall, dass sie sich begegnet waren.
»Ja, das waren sicher andere Zeiten«, sagte er, vertrieb seine Rührseligkeit und gab sich einen Ruck. »Kommen Sie, wir müssen uns fertigmachen. Klaus wird jeden Moment hier sein.«
»Ich spül das nur noch schnell ab«, sagte sie.
»Sag mal«, schrie er keine halbe Stunde später gegen den Fahrtwind an. »Wo fährst du eigentlich lang? Wir müssen zum Krankenhaus!«
Er saß im Fond von Klaus’ Cabrio, wenn man das einen Fond nennen konnte, so wenig Platz hatten seine Beine. Sie waren gerade mit dem Frühstück fertig gewesen, als Klaus auch schon vor der Tür stand, voller Energie und allerbester Laune, natürlich. Gerade jetzt, da er Frau Ella ein bisschen besser kennenlernte, kam Klaus dazwischen. Schräg zwischen den beiden Kopfstützen der Vordersitze hindurch sah er sie von hinten im Profil, mit wehenden Haaren, in seinem Kapuzenpulli. Wohin verdammt fuhr dieser Chaot?
»Lehn dich zurück, mach dich locker, lass dir den Wind durchs Hirn wehen. So ein Tag ist lang, und Onkel Klaus hat alles unter Kontrolle«, schrie er zurück, immerhin ohne sich umzudrehen. Klaus der Tausendsassa, die Mensch gewordene gute Laune, sein Vergil, der immer wusste, wo es langging, meistens zumindest. Frau Ella drehte sich um, hielt mit beiden Händen die Locken aus ihrem Gesicht und lächelte.
»Wie diese Grace Kelly!«, rief sie begeistert.
»Nur dass es hier keine Klippen gibt, und ich Sie trotzdem nie ans Steuer lassen würde«, brüllte Klaus, der genau zu wissen schien, wie er mit ihr umgehen musste, damit sie glücklich war und ihn mochte. Er nahm sie nicht ernst, er war unverschämt, er lachte über sie, er beleidigte sie, und sie freute sich. Oder er behandelte sie einfach wie seinesgleichen, wie eine Freundin.
»Wo fährst du hin?«, schrie Sascha.
Klaus hatte von Frau Ella gelernt. Auch er hörte nur noch das, was er hören wollte.
Die Straßen wurden immer voller, auf den Bürgersteigen drängelten sich sommerlich gekleidete Passanten, die Cafés waren schon jetzt gut besucht, als sei es eine Selbstverständlichkeit, an einem Dienstagmorgen nicht zu arbeiten. Er sollte sich wirklich entspannen, so schön war alles um sie herum. Die Stadt hatte die Tage seines Klinikaufenthaltes genutzt, um sich für den Sommer frisch zu machen. Das war ihr gelungen.
Sie fuhren von der Hauptstraße ab und durch die Innenstadt, immer langsamer, bis Klaus schließlich mitten auf der Straße anhielt, den Warnblinker setzte und ihn mit diesem Blick ansah, der genauso von bevorstehenden Schrecken wie von ungeahnten Freuden künden konnte. In jedem Falle hatte er etwas ausgeheckt.
»Den Rest machen wir auf dem Landweg«, sagte Klaus.
Nachdem Sascha sich aus dem Wagen gequält hatte und endlich auf dem Bürgersteig stand, sah er, wo genau sie gelandet waren. Ältere Damen tauchten ihn in ganze Wolken teurer Parfums, Hunden, die sich nicht zurückhalten konnten, wurde der Hintern mit Seidentüchern gestreichelt, Männer mit golden glänzenden Knöpfen und silbern schimmerndem Haar waren auf der Suche nach teurem Spielzeug für ihre jungen Geliebten. Vor zwei von drei Geschäften standen Türsteher in schwarzen Anzügen, die selbst an ihren überzüchteten Körpern perfekt saßen. Am meisten beeindruckte ihn, dass Frau Ella in seinen Joggingklamotten überhaupt nicht aufzufallen schien. Es gab keine Reaktion. Oder aber sie sahen so bewusst weg, dass sie eigentlich hinschauten. Was sollten sie auch von einer Alten in diesem Aufzug mit zwei jungen Männern halten? Natürlich fragten sie sich, wer das nur war! Keiner war so reich, dass er nicht doch gern gewusst hätte, wer ihm da in diesem Aufzug entgegenkam. Man hielt Frau Ella für einen Star, eine Prominente, eine
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