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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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einen Knuff zwischen die Rippen. »Schön, dich auch mal wieder zu
sehen. Wie geht es deinem Vater?«
    Verdammt, den hatte er komplett vergessen.
    »Im Krankenhaus ist er auf jeden Fall nicht mehr, das
hat deine Tochter erfahren, als sie ihn heute Nachmittag besuchen wollte.«
    Mayfeld holte sein Handy aus der Jacke und tippte die
Festnetznummer seines Vaters ein. Vergebens. Dann die Handynummer. Ebenfalls
vergebens. »Der Teilnehmer, den Sie gewählt haben, ist zurzeit nicht
erreichbar.«
    »Was hältst du davon, wenn wir nach Hause fahren,
sobald du mit der Lasagne fertig bist? Es wäre schön, mal etwas früher ins Bett
zu kommen«, schlug Julia vor.
    Mayfeld ließ sich das Essen schmecken. Danach
verabschiedeten sich die beiden von den vier Stammgästen und gingen in die
Küche. Dort war Hilde noch mit den letzten Aufräumarbeiten beschäftigt.
    »Wir bereiten tagsüber alles vor, und abends überlass
ich Elly und dir das Schlachtfeld«, verabredete sie sich mit ihrer Mutter für
den nächsten Tag.
    Dann gingen sie zu ihren Autos und fuhren im Konvoi
ins Tal hinunter.
    Eine Viertelstunde später betraten sie die Wohnung
in der Villa am Rhein. Aus Lisas Zimmer tönte Heavy Metal, die Hardcore-Version
eines mittelalterlichen Liedes: »Ein strenger Schnitter ist der Tod«.
    »Kannst du mal Kopfhörer nehmen?«, brüllte Mayfeld
gegen Schlagzeug und E-Gitarren an.
    Vor ein paar Wochen war Tobias von zu Hause ausgezogen
und hatte der kleinen Schwester die großen Lautsprecherboxen seiner Musikanlage
überlassen.
    Lisa drehte die Lautstärke der Musik zurück und kam
aus ihrem Zimmer. »Schönen Gruß von Opa. Er kommt dich morgen in der
Straußwirtschaft besuchen.«
    »Hat er dich angerufen?«
    »Er hat hier angerufen.« Lisa gab ihrem Vater einen
Kuss. »Ich bin am Wochenende bei Nicola«, sagte sie, dann gab sie ihrer Mutter
einen Kuss und verschwand in ihrem Zimmer.
    Die Anlage wurde wieder aufgedreht. Noch einmal »Ein strenger
Schnitter ist der Tod«. Dann endlich schaltete sie auf Kopfhörer um.
    Im Wohnzimmer lagen alte Fotoalben herum.
    »Ich habe angefangen, Bilder von Lisa rauszusuchen«,
erklärte Julia das Chaos auf dem Tisch.
    »Weil du sonst nichts zu tun hast«, frotzelte Mayfeld.
    »Weil ich mich gerne an Zeiten erinnere, als Lisa
kleiner war.«
    Das konnte Mayfeld gut verstehen. Er holte eine
angebrochene Flasche Rothenberg aus dem Kühlschrank und schenkte zwei Gläser
ein. Die Fotoalben schob er beiseite. Dann berichtete er seiner Frau von dem
Mord an Kevin.
    »Der Mörder hat ihn ins Bett gelegt und ihm eine
Unterhose über den Kopf gezogen. Sieht aus wie eine Schlafhaube, alles erinnert
an das Märchen von Rotkäppchen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Na, da lag doch der Wolf im Bett, nachdem er die
Großmutter gefressen hatte, und tat so, als ob er die Großmutter wäre. Auf
allen Bildern hat der Wolf eine Schlafhaube auf. Dann noch der Anruf: ›Der Wolf
ist tot, der Wolf ist tot‹, und das Ganze im Rotkäppchenweg.«
    Julia schaute ihn irritiert an. »Die Leiche von Sylvia
Holler war im Stile eines Märchens arrangiert.«
    »Eben.« Mayfeld nickte.
    »Mit vielen Details aus ›Frau Holle‹. Und bei der
Polizei hat jemand angerufen und gesagt: ›Frau Holle ist tot‹«, fuhr Julia
fort.
    »So ist es.«
    »Der Anrufer hat also kein unpassendes Märchenzitat
benutzt, sondern gar keines.«
    »Wie meinst du das?«
    »›Frau Holle ist tot‹ ist kein Zitat. Die stirbt
nämlich nicht. ›Der Wolf ist tot‹ ist zwar ein Zitat aus einem Märchen, passt
aber nicht zu ›Rotkäppchen‹. Das Zitat stammt aus ›Der Wolf und die sieben
Geißlein‹. Dazu passt aber keine Schlafhaube. Ein Stück Kreide oder ein paar
Steine in oder auf dem Bauch wären da passender.«
    Mayfeld war beeindruckt vom Wissensschatz seiner Frau.
Schon den ganzen Tag über hatte er den Eindruck gehabt, dass irgendetwas an dem
Fall nicht stimmte. Nun wurden die Ungereimtheiten offensichtlich.
    »Vielleicht ist der Täter doch kein solcher
Märchenkenner«, überlegte er. »Oder es sind zwei Täter, wobei der eine den
anderen schlecht kopiert hat.«
    »Ich glaube, wir haben heute beide genug gearbeitet«,
beendete Julia die Diskussion.
    Dann machte sie ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen
wollte.
    ***
    Der Königstochter ging es nicht gut. Auf der
Rückfahrt hatte sie die ganze Zeit geweint und sich fest an ihn geklammert. Das
Klammern war schön gewesen, aber das Weinen nicht.
    »So können wir nicht zum Kloster Eberbach

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