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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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fahren«,
hatte Basti gesagt, und Marie hatte noch mehr geweint. Außerdem war es zu spät
für einen Besuch im Kloster gewesen. Also hatte er den Weg zur Mapper Schanze
genommen, hatte das Quad hinter dem Turm im Gebüsch versteckt und war mit Marie
in seinen Unterschlupf gegangen.
    Dort hatte er »Tischlein, deck
dich!« gesagt, aber es hatte wieder nichts genutzt. Also hatte er
Nussbrot, Rezept einhundertvierundsechzig, Hollersaft, Rezept eins, und
Presskopf vom Metzger hergerichtet. Marie hörte nicht auf zu weinen. Das gefiel
Basti gar nicht. Das kam im Märchen von Frau Holle nicht vor.
    Und weinte immer lauter und konnte
sich gar nicht trösten. Und wie sie so klagte, rief ihr jemand zu: »Was hast du
vor, Königstochter, du schreist ja, dass sich ein Stein erbarmen möchte.«
    Es war nicht wie bei Frau Holle, es war wie beim
Froschkönig. Märchen Nummer eins. Aber er hatte ihr das schöne
Spielwerk doch schon gebracht. Daran lag es also auch nicht, er war
immer noch im falschen Märchen. Mit den Märchen war es manchmal nicht so
leicht, wie er gedacht hatte. Genauso wie mit den Mädchen.
    Gretel weinte bittere Tränen und
sprach zu Hänsel: »Nun ist’s um uns geschehen.« – »Still, Gretel«, sprach
Hänsel, »gräme dich nicht, ich will uns schon helfen.«
    Er schnitt Nussbrot vom Laib herunter, legte Presskopf
darauf und teilte die Brotscheibe in kleine Reiterchen. Die hielt er der
Königstochter hin, direkt vor den Mund. Aber sie wollte und wollte nicht essen.
Er schaffte es trotzdem, ihr zwei Reiterchen in den Mund zu schieben. Die
behielt sie schön drinnen.
    Später kamen Wanderer vorbei, die wohl die Zeit
vergessen hatten. Marie wollte ihnen etwas zurufen, aber Basti war das nicht
recht, deswegen hielt er ihr den Mund zu. Marie war so erschrocken, dass sie ganz
still hielt. Anschließend weinte sie noch mehr.
    Mit den Mädchen kannte er sich überhaupt nicht aus.
    Als es Nacht wurde, wollte Marie schlafen. Sie legte
sich auf die Matratze, Basti rollte eine Wolldecke zusammen und legte sie
davor. Er fragte die Königstochter erst gar nicht, ob er ihre Sommersprossen
noch einmal zählen dürfe. Als er nach einer Weile hörte, wie sie regelmäßig
atmete, stand er leise auf und schlich sich, heimlich wie
die Hexen schleichen , aus dem Turm.
    Er wusste nicht, welches Märchen das passende war.
    Er ging zu der Stelle, wo er am letzten Abend Feuer
gemacht hatte und wo die schwarze Katze am Ast hing. Der Mond vergoss sein
fahles Licht auf die dunklen Bäume und die Wiese mitten im Wald. Die Katze war
kalt, aber noch nicht richtig ausgetrocknet. Das dauerte seine Zeit.
    Er setzte sich auf einen Baumstumpf und ließ die Zeit
vergehen. Seine Augenlider wurden schwer.
    Und saß da ein greulicher Mann auf
seinem Platz. »So haben wir nicht gewettet«, sprach der Junge, »die Bank ist
mein.« Der Mann wollte ihn wegdrängen, aber der Junge ließ sich’s nicht
gefallen, schob ihn mit Gewalt weg und setzte sich wieder auf seinen Platz. Da
fielen noch mehr Männer herab, einer nach dem andern, die holten neun
Totenbeine und zwei Totenköpfe, setzten auf und spielten Kegel. Der Junge bekam
auch Lust und fragte: »Hört ihr, kann ich mit sein?«
    Er schreckte hoch. Er war eingeschlafen und hatte
geträumt. Von einem greulichen Mann , der ihn
wegdrängen wollte und der ihn an den bösen Mann von der Bachmühle erinnerte.
Basti fröstelte, er sah sich um. Nirgendwo sah er Totenbeine und Totenköpfe.
Aber er wusste, wo er welche finden würde. Er ging zu dem Baum, wo die Katze mit des Seilers Tochter Hochzeit hielt. Unter dem Baum lag
seine Schatzkiste. Er schob das Reisig, das er dort ausgebreitet hatte,
beiseite und hob den schweren Holzdeckel hoch. In dem Erdloch lagen die
Totenbeine und Totenköpfe von Füchsen, Wildkatzen, Wildschweinen und Rehen.
Unter der Erde, wie es sich gehörte.
    Er hatte lange durch den Wald streifen müssen, bis er
seinen Schatz zusammenhatte. Er holte neun längliche Knochen und zwei Schädel
aus der Grube. Die Knochen steckte er in den weichen Waldboden, und dann
kegelte er.

Freitag, 28. Oktober
    Mayfeld kam als Letzter in den Besprechungsraum,
in dem Meyer, Adler, Burkhard und Lackauf saßen. Winkler hatte sich für den Tag
krankgemeldet.
    »Einem Nachbarn von Kevin Möller aus der Siedlung
Märchenland ist ein Quadfahrer aufgefallen«, ergriff Burkhard das Wort. »Er war
sich nicht sicher, ob er ihn am Dienstag oder am Mittwoch gesehen hat, aber er
will beobachtet haben, wie er

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