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Frau Holle ist tot

Frau Holle ist tot

Titel: Frau Holle ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Stark
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Mal
gesehen?«, hakte Mayfeld nach.
    Wieder überlegte Stefanie Lachner eine Weile. »Am
Freitagmittag«, sagte sie dann. »Sie hatte schlechte Laune wie fast immer in
der letzten Zeit und sagte, sie wolle eine Freundin besuchen. Ich denke, das
hat sie dann auch gemacht.«
    Mayfeld bat darum, sich Maries Zimmer anschauen zu
dürfen. Die Eltern begleiteten den Kommissar in einen geräumigen, abgedunkelten
Raum. Er erinnerte Mayfeld an das Zimmer seiner Tochter, es war alles nur noch
etwas chaotischer. Das Bett war zerwühlt, auf dem Boden lag der Inhalt eines
ganzen Kleiderschranks, auf dem Schreibtisch stapelten sich neben einem
Computermonitor CD s, Musikzeitschriften und ein
paar Schulbücher. An der Wand hingen Poster einer Band, deren Mitglieder ihre
Gesichter hinter diabolisch grinsenden Masken versteckt hatten.
    »Vor zwei Jahren ist Marie schwierig geworden«,
erklärte ihre Mutter. »Ich habe es auf die Pubertät zurückgeführt. Als ich dann
im Sommer letzten Jahres schwanger wurde, wurde sie völlig unausstehlich. Zum
Glück hatten wir sie da schon bei einer Therapeutin angemeldet.«
    »Was heißt hier zum Glück?«, fuhr ihr Mann dazwischen.
»Das hat überhaupt nichts gebracht. Die Göre braucht keine verständnisvolle
Omi. So was hatte sie lange genug, die braucht jemanden, der ihr klar sagt, wo
es langgeht. Wir hätten uns schon vor einem Jahr durchsetzen und sie in ein
gutes Internat schicken sollen.«
    »Und am Montagmorgen dachten Sie immer noch, dass
Marie vielleicht bei der Freundin übernachtet hätte?«
    »Sie ist schon ein paarmal unerlaubt weggeblieben.«
Thorsten Lachners Ton war jetzt eisig. »Wir haben sie nicht auf ihrem Handy
erreichen können. Die Freundin auch nicht. Wenn wir jedes Mal, wenn sie mal
wieder meint verschwinden zu müssen, in Panik verfallen würden, dann hätten wir
keine ruhige Minute mehr. Dann könnte sie uns auf der Nase tanzen, wie sie
will. Im Übrigen bezweifle ich, dass wir Ihnen darüber Rechenschaft schulden.«
    »Kein Grund zur Aufregung«, versetzte Mayfeld.
    »Von Aufregung kann gar keine Rede sein«, behauptete
Lachner, der auf den Kommissar bei Weitem nicht so gelassen wirkte, wie er es
wohl beabsichtigte.
    »Wie heißt die Freundin?«
    »Annika Möller«, antwortete die Mutter. »Ich
befürchte, sie hat keinen guten Einfluss auf Marie. Annika und ihr Bruder sind
kein geeigneter Umgang für sie gewesen. Wir hätten den Kontakt unterbinden
müssen, aber das hatte sich so eingespielt. Meine Mutter hat sich viele Jahre
um Marie gekümmert. Sie hat ihr alles erlaubt, auch den Kontakt zu Annika und
Kevin.«
    »Ihre Mutter …«
    »… ist vor einem Jahr gestorben.«
    »Das war sicherlich hart für Marie«, bemerkte Mayfeld.
    »Sind Sie auch Psychologe?«, höhnte der Ehemann.
    »Für die Vermutung braucht es kein Psychologiestudium,
es reicht ein Minimum an Einfühlungsvermögen«, antwortete Mayfeld. »Apropos
Psychologe: War Frau Holler die Therapeutin Ihrer Tochter?«
    Thorsten Lachner nickte. »Warum ist das wichtig?«
    »Ist Ihre Tochter bis zuletzt zu Frau Holler
gegangen?«, fragte Mayfeld weiter.
    »Natürlich«, antwortete Stefanie Lachner. »Jeden
Montag.«
    »Was ist denn mit Dr. Holler?«, wollte ihr Mann
wissen.
    Das hatte Burkhard ihnen offensichtlich nicht erzählt.
    »Sie ist am Wochenende ermordet worden.«
    Die beiden wirkten überrascht, aber keineswegs
sonderlich betroffen. Immerhin schwiegen sie einen Moment. Mayfeld fragte nach
weiteren Freundinnen von Marie. Aber die Eltern wussten keine Namen. Sie
wussten überhaupt kaum etwas von ihrer Tochter. Er bat um ein Foto von Marie.
    »Wir werden alles tun, um Ihre Tochter zu finden«,
sagte er zum Abschied. Er wusste nicht, ob er den Eltern damit einen Gefallen
tat.
    Die »Wut über den verlorenen Groschen« traf
Mayfelds Stimmung ziemlich gut. Emil Gilels hämmerte auf die Tasten seines
Flügels, die rhythmischen und melodischen Figuren drehten sich immerfort im
Kreise und schienen kein Ende finden zu können.
    Er hatte sich von den Lachners Handynummer und Adresse
von Annika Möller geben lassen. Das Mobiltelefon war ausgeschaltet, und Mayfeld
beschloss, bei ihr zu Hause vorbeizufahren. Was er da machte, war ganz normale
Ermittlungsarbeit, und dennoch war er zunehmend gereizt. Er hatte gelernt, auf
solche Signale zu achten.
    Natürlich gab es momentan genug Gründe für
Gereiztheit. Das Disziplinarverfahren, Lackaufs Feindseligkeit. Aber er hätte
gedacht, dass ihn das weniger treffen

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