Frau Holle ist tot
nicht allzu viel
geredet. Könnte es daran liegen?«
Fromm grunzte etwas kaum Verständliches, das nach
»Schlampe«, »Gottseibeiuns« und »Testament anfechten« klang.
»Dr. Schreiber aus Erbach ist der Notar. Wenden
Sie sich an ihn. Mich interessiert, wann Sie zuletzt Kontakt zu Ihrer Schwester
hatten.«
Fromm dachte eine Weile nach, er tat zumindest so.
»Ist schon ein paar Jahre her. Auf der Beerdigung
unserer Mutter.«
»Sie hatten kein besonders gutes Verhältnis?«
Das war mit Sicherheit eine überflüssige Frage. Fromm
starrte finster vor sich hin.
Mayfeld hielt ihm eine Kopie des Briefes unter die
Nase, den er in Hollers Praxis gefunden hatte.
»Dieser Brief ist mit G. unterschrieben. Ich dachte,
dass Sie ihn geschrieben haben könnten.«
Fromm nickte. »So ist es.«
»Ihre Schwester hat ihn unter der Rubrik ›Irre Briefe‹
abgeheftet, sie hätte ihn auch als Drohbrief einordnen können, finden Sie
nicht?«
»Ich habe ihr lediglich ins Gewissen geredet. Es ging
um Dinge, die nur unsere Familie etwas angehen.«
»Jetzt, da Ihre Schwester ermordet wurde, gehen diese
Dinge auch die Polizei an. Sie wollten Geld von Ihrer Schwester?«
»Ich habe sie um Unterstützung für das Weingut der
Familie gebeten, das ist ja wohl nicht zu viel verlangt. Es ist mir schwer
genug gefallen.«
Der Mann tat sich richtig leid.
»Das Weingut gehörte Ihnen beiden?«
»Meine Eltern haben es mir vermacht. Ich habe es auf
mich genommen, die Familientradition fortzuführen. Sylvia hat sich nicht dafür
interessiert.«
»Aber dennoch sollte sie Ihnen aus einer finanziellen
Misere helfen?« Die Ansprüche dieses Mannes und seine Selbstgerechtigkeit waren
völlig unglaublich.
»Das geht Sie gar nichts an, und von Misere kann nicht
die Rede sein«, behauptete Fromm und versuchte empört zu wirken.
»Der Brief ist undatiert, wann haben Sie ihn
geschrieben?«, fragte Mayfeld in sachlichem Ton.
Fromms Unterlippe zitterte, vermutlich vor Wut. »Vor
etwa zwei Jahren.«
»Geld haben Sie von Ihrer Schwester vermutlich nicht
bekommen?«
Fromm schüttelte den Kopf.
»Wo waren Sie am letzten Samstag zwischen zwei und
sechs Uhr morgens?«
»Ist sie da gestorben?«
»Wo waren Sie?«
»In meinem Bett.«
»Gibt es dafür Zeugen?«
Fromm wurde rot. »Nein«, zischte er.
»Leben Sie alleine hier?«
»Seit dem Tod meiner Mutter.«
»In dem Brief machen Sie Ihrer Schwester Vorwürfe …«
»Zu Recht!«
»… sie habe Ihre Familie zerstört. Was meinten
Sie damit?«
»Muss ich das sagen?«
»Es erleichtert mir die Arbeit. Ich muss Sie dann
nicht nach Wiesbaden ins Präsidium zitieren. Zumindest nicht so oft. Ist ja
eine ziemlich lange Strecke.«
Fromms Gesicht wurde immer finsterer. Wer seine
Emotionen so schlecht unter Kontrolle hatte, war in der Regel ein schlechter
Lügner.
»Es ist so, wie ich es in dem Brief geschrieben habe.«
Er nahm sich die Kopie und las vor: »›Du hingegen, du falsche Schlange, hast
nicht geruht, bis du meine im Grunde herzensgute, aber schwache Frau so gegen
mich aufgestachelt hattest, dass sie mich verließ … Aber am Ende wendet sich
das Böse immer gegen seine Verursacher.‹ Genau so ist es gekommen.«
Ein frömmelndes und vor Hass zitterndes Ekelpaket saß
da vor ihm.
»Sie waren also wütend auf Ihre Schwester, und Sie
haben kein Alibi für die Tatzeit«, stellte Mayfeld ruhig fest.
Fromm schlug mit der Faust auf den Tisch. »Wollen Sie
mir unterstellen, ich hätte mit dem Tod meiner Schwester etwas zu tun?«
»Ich stelle nur fest, dass Sie ein verbitterter alter
Mann sind, der zum Jähzorn neigt, mit dem Mordopfer im Streit lebte und für die
Tatzeit kein Alibi hat.«
»Raus hier!«, brüllte Fromm.
Mayfeld blieb ungerührt sitzen. »Fromm« war kein
passender Name für diesen Menschen, ging ihm durch den Kopf. Auch wenn er
manchmal versuchte, so zu wirken. »Klug« würde auch nicht passen. Und
»Dummdreist« oder »Heuchlerisch« waren keine geläufigen Namen.
»Sollen wir das Gespräch dann also morgen früh um acht
im Polizeipräsidium fortsetzen?«
Fromm grunzte wieder etwas kaum Verständliches. Es
klang nach »Teufel«, »Schikane« und »rechtschaffenem Bürger«.
»Noch mal zurück zu dem Brief: Was konkret haben Sie
Ihrer Schwester vorzuwerfen? Bitte nicht noch mal vorlesen, lesen kann ich
selbst.«
Fromm biss sich auf die Unterlippe. »Mein Glaube
verpflichtet mich, ihr jetzt, wo sie tot ist, zu verzeihen«, sagte er mit
gepresster Stimme.
Mayfeld hatte
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