Frau Holle ist tot
leichter«, antwortete
Burkhard.
»Ich werde noch mal mit den Eltern sprechen.«
»Was soll denn dabei herauskommen?« Burkhards Stimme
klang beleidigt.
»Das weiß ich vorher auch nicht.«
Mayfeld ließ sich die Adresse der Lachners geben und
drückte das Gespräch weg. Anschließend rief er die Auskunft an, erfragte die
Telefonnummer von Waltraud Fromm und rief sie an. Die Stimme einer älteren Frau
erklärte, dass Sebastian und Waltraud Fromm im Moment nicht erreichbar seien
und dass der liebe Anrufer nach dem Signalton eine Nachricht hinterlassen
könne. Er bat Waltraud Fromm dringend um einen Rückruf.
Mittlerweile war er in Geisenheim angekommen. Er
parkte seinen Wagen und ging die letzten Schritte zu Fuß. Die
Steuerberaterkanzlei Sandmann und Lachner befand sich am Römerberg in einem
stattlichen Fachwerkhaus direkt gegenüber dem Rheingauer Dom. Im oberen
Stockwerk wohnte die Familie Lachner.
Stefanie Lachner öffnete auf Mayfelds Klingeln. Sie
trug ein apricotfarbenes, teuer wirkendes Kleid, eine Perlenkette um den Hals
und ein verknautschtes Baby auf dem Arm.
»Aber Ihr Kollege war doch schon da«, sagte sie, als
Mayfeld sich auswies und den Grund seines Besuches erklärte. Das Baby
quengelte.
»Ich bin der Leiter der Ermittlungen und habe noch ein
paar Fragen«, antwortete Mayfeld.
Eine Erklärung war das nicht. Aber sollte er
stattdessen sagen: Seit wir wissen, dass Ihre Tochter bei der ermordeten Dr. Holler
in Behandlung war, nehmen wir ihr Verschwinden ernster als zuvor? Stefanie
Lachner akzeptierte seine Begründung zum Glück ohne weitere Nachfragen.
»Und könnten Sie bitte Ihren Mann rufen.«
Das schien für Stefanie Lachner ein größeres Problem
zu sein.
»Er ist sehr beschäftigt«, wandte sie ein.
»Ich auch, also bitte!«
Frau Lachner führte Mayfeld ins Wohnzimmer. Gediegene
Polstermöbel, weiß lackierte Designerschränke und eine teure Hi-Fi-Anlage
signalisierten Wohlstand. Das Baby begann zu krähen. Die Mutter entschuldigte
sich, bat Mayfeld Platz zu nehmen, nannte ihm die Telefonnummer ihres Mannes
und verschwand in einem Nebenzimmer. Mayfeld telefonierte mit der
Steuerberaterkanzlei ein Stockwerk tiefer. Nach einiger Zeit kam Frau Lachner
wieder zurück.
»Jonas Maximilian war fast eingeschlafen, als Sie
klingelten. Jetzt schlummert er zum Glück wieder. Ein süßes Baby, finden Sie
nicht auch?«
Verknautscht und missgelaunt, fand Mayfeld. »Ja, ganz
entzückend. Jedes neue Leben ist ein Glück für die ganze Familie«, sagte er
stattdessen.
Die Wohnungstür wurde geöffnet. Thorsten Lachner
betrat das Wohnzimmer. Ein Mann Mitte vierzig, schlank, braun gebrannt, der
Maßanzug saß perfekt.
»Wir haben Ihrem Kollegen doch bereits ausführlich
Rede und Antwort gestanden«, sagte er unwirsch zur Begrüßung.
Irgendwie erinnerte der Steuerberater Mayfeld an
Lackauf, und das hob seine Stimmung keinesfalls.
»Erzählen Sie einfach alles noch einmal. Es haben sich
neue Gesichtspunkte ergeben.«
»Marie ist am Samstag verschwunden«, berichtete
Stefanie. »Wir glaubten, sie sei bei einer Freundin. Deswegen haben wir uns am
Sonntag erst mal nichts weiter gedacht, als sie nicht zum Frühstück erschien.«
»Das kommt in letzter Zeit sowieso immer öfter vor«,
ergänzte ihr Ehemann in missbilligendem Ton.
»Ist Ihnen an Ihrer Tochter am Samstag, bevor sie
ging, irgendetwas aufgefallen?«, fragte Mayfeld.
Maries Vater schüttelte den Kopf. »Ich hab sie am
Samstag gar nicht gesehen. Die Dame hat ja mal wieder bis in die Puppen
geschlafen.«
»Ist Ihnen etwas aufgefallen?« Mayfeld wandte sich an
die Mutter.
Stefanie Lachner dachte einen Moment nach. »Ich habe
sie am Samstag auch nicht gesehen. Wenn man sie morgens stört, ist sie immer so
unwirsch. Da lasse ich sie lieber links liegen.«
Das kannte Mayfeld von seiner Tochter. »Aber Sie
sagten meinem Kollegen, Ihre Tochter sei am Samstagmorgen verschwunden«,
erinnerte er die Lachners.
»So wird es ja auch gewesen sein«, erwiderte Thorsten
Lachner. »Wir haben am Freitagnachmittag meine Eltern besucht, und Marie war
bei einer Freundin. Als wir nach Hause kamen, war sie noch nicht da. Aber in
der Nacht habe ich sie kommen gehört.«
»Was genau haben Sie gehört?«
»Eine Tür schlagen. Wer sollte das sonst gewesen
sein?«
»Wir sind am Samstag nach Wiesbaden gefahren, und als
wir abends zurückkamen, war sie schon wieder weg«, ergänzte Stefanie Lachner.
»Wann haben Sie Ihre Tochter denn nun zum letzten
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