Frau Holle ist tot
das Gebäude. »Jedenfalls steht sein Auto
vor der Tür.« Er klopfte auf das Dach des schwarzen Wagens. »Bei den Fromms
habe ich niemanden angetroffen«, fügte er hinzu.
»Und was ist mit Knuth Schneider?«
»Um den kümmere ich mich anschließend. Ich wollte mir
diesen Kevin Möller genauer anschauen. Er ist für uns kein Unbekannter. Als
Jugendlicher hat er Automaten geknackt. Er wurde mal mit Haschisch und Crack in
einer Disco aufgegriffen, hatte aber nur eine geringe Menge bei sich, weswegen
der Richter ihn wieder laufen ließ. Gelegentlich arbeitet er bei Gebrauchtwagen
Novotny in der Hans-Böckler-Straße. Dort sollen geklaute Nobelkarossen
umlackiert, mit falschen Papieren versehen und nach Osteuropa verschoben
werden.«
»Dann machen wir uns mal ein persönliches Bild von dem
Vogel«, sagte Mayfeld.
Die Tür des Hauses mit der Nummer 3a stand offen.
Dem Gebäude hätte eine Renovierung ersichtlich gutgetan, im Treppenhaus
bröckelte der Putz von den Wänden. An einem ansonsten leeren schwarzen Brett
hingen eine Hausordnung und Mitteilungen der Hausverwaltung vom vorvergangenen
Jahr.
Sie gingen die Treppe nach unten. Kevin Möllers
Wohnung befand sich im Souterrain, direkt neben dem Heizungskeller. Mayfeld
klingelte.
»Was wollen Sie?«, fragte der mürrisch dreinblickende
junge Mann, der einige Minuten später die Wohnungstür öffnete. Sein pickeliges
Gesicht erinnerte Mayfeld an den Mond. Genauso rund und genauso von Kratern
übersät.
Der Kommissar zeigte seinen Dienstausweis.
»Was ist denn mit Ihnen passiert?«, fragte er und
deutete mit dem Kopf auf das blutunterlaufene Auge des Mannes.
Kevin Möller verzog das Gesicht zu einem lässig
gemeinten Grinsen. Das machte seinen Anblick nicht erfreulicher. »Hingeflogen.«
»Und was ist tatsächlich passiert?«
»Hingeflogen. Was wollen Sie?«
»Können wir reinkommen?«
Der junge Mann überlegte einen Moment. »Wenn es sein
muss«, sagte er dann.
Er machte eine übertrieben einladende Handbewegung,
die im Gegensatz zu seinem schroffen Ton stand.
Unaufgeräumt, ärmlich und schmuddelig, wie sie war,
passte die Wohnung perfekt zu ihrem Besitzer. Möller führte die beiden Beamten
in das, was er wohl sein Wohnzimmer nannte, und bat sie, sich auf eine
durchgesessene Couch neben einen Berg schmutziger Klamotten zu setzen. Mayfeld
nahm Platz, Burkhard hielt sich im Hintergrund. Es roch nach Zigarettenrauch
und etwas undefinierbar Modrigem. Eine Glühlampe beschien mit ihrem trüben
Licht das Elend.
»Wie kann ich der Polizei helfen?«, fragte Kevin
Möller. »Ich tu das gerne«, fügte er überflüssigerweise hinzu.
Er setzte sich Mayfeld gegenüber auf einen mitgenommen
wirkenden Sessel und versuchte, ein verbindliches Lächeln auf sein Mondgesicht
zu zwingen, was ziemlich schief geriet.
»Kennen Sie Marie Lachner?«
»Wer soll das sein?«
»Eine Freundin Ihrer Schwester Annika. Lebt in
Geisenheim.«
Möller überlegte eine Weile. »Ach die«, sagte er dann,
»die kenne ich flüchtig. Was ist mit ihr?«
»Sie ist verschwunden.«
»Das tut mir leid. Hat es vermutlich zu Hause mit den
Spießern nicht mehr ausgehalten.«
»Sie kennen die Eltern?«
»Nö. Aber so ist es doch immer, wenn Kinder aus gutem
Haus verschwinden. Die halten es mit ihren Spießereltern einfach nicht mehr
aus.«
»Haben Sie eine Ahnung, wo wir Marie finden könnten?«
»Tut mir leid. Keine Ahnung.«
»Kann ich mich mal in Ihrer Wohnung umschauen?«,
fragte Burkhard aus dem Hintergrund.
»Wenn Sie die Unordnung nicht stört«, sagte Möller und
grinste noch schiefer als zuvor. Er deutete auf zwei Türen. »Links geht es in
die Küche, rechts ins Schlafzimmer. Ich hab Marie nicht versteckt. Ich steh
nicht auf kleine Mädchen.«
Mayfeld setzte Kevins Befragung fort. »Maries Eltern
meinten, Sie hätten keinen guten Einfluss auf das Mädchen gehabt. Was meinten
die damit?«
»Keine Ahnung. Sind halt Spießer.«
»Klingt aber so, als ob Sie mehr als nur flüchtigen
Kontakt mit Marie gehabt hätten.«
Möller zuckte mit den Schultern. »Ist aber so, wie ich
gesagt habe. Sie war Annikas Freundin, nicht meine.«
»Erzählen Sie mir etwas über Ihre Schwester«, bat
Mayfeld.
»Keine Ahnung, was Sie wissen wollen. Hat sie etwas
ausgefressen?«
Kevin machte trotz seiner gegenteiligen Beteuerung
nicht den Eindruck, als ob er der Polizei gern helfen würde.
»Hat sie nicht. Sie hat aber offensichtlich versucht,
sich das Leben zu nehmen, und liegt in Rüdesheim im
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