Frau Paula Trousseau
Vermutung. Gesagt hat er nichts. Mein Pariani ist nämlich schüchtern, auch wenn man es nicht für möglich hält. Er, der immer so forsch darauflosredet, ist in Wahrheit ein hoffnungsloser Romantiker. Er hat mich noch nie betrogen, nicht ein einziges Mal, und ich glaube nicht, dass ich mir etwas vormache, trotz seiner ständigen Anzüglichkeiten und obszönen Sprüche. Er spielt den Draufgänger, er macht sich an jede schöne Frau ran, der er begegnet, aber wenn eine darauf einginge, würde er in die größte Verlegenheit stürzen.«
Sie stockte, dann schloss sie die Augen.
»Nun ja«, sagte sie nach einigen Sekunden, »ich weiß gar nicht, wie er ohne mich auskommen soll. Pariani ist allein doch völlig hilflos. Und du, wirst du mich vermissen? Ein wenig? Von Herzen? Mit Schmerzen? «
Als Marco Pariani ins Zimmer zurückkam, fragte er, was denn los sei.
»Nichts«, erwiderte Sibylle, »wie kommst du darauf?«
»Du hast doch geweint.«
»Nein, im Gegenteil, wir haben gelacht. Paula und ich haben uns ausgeschüttet vor Lachen. Und nun rate mal, über wen!«
»Sehr schön«, sagte er, »das freut mich, dann bin ich wenigstens für etwas zunutze. Wobei ich mir sicher bin, dass ihr mich nicht braucht zu eurem Vergnügen.«
»Eifersüchtig?«
»Sollte ich?«
»Pariani, was soll das?«, erwiderte Sibylle, »Paula ist eine liebe Freundin, und wir haben uns eine Ewigkeit nicht gesehen. Lass uns doch.«
»Ich genieße es. Mir gefällt es, mit zwei Frauen zu leben. Falls Paula Zeit und Lust hat, ich würde mich freuen, wenn sie den ganzen Urlaub über bleiben würde. Was hältst du davon Paula?«
»Das ist völlig ausgeschlossen. In einem Monat wird meine Ausstellung eröffnet, und ich sitze hier und tue nichts. Das geht nicht. Nein, ich kann auf keinen Fall länger bleiben. Tut mir leid. Vielleicht ein andermal.«
»Ein andermal? Meinst du nächstes Jahr?«, erkundigte sich Sibylle.
Sie schaute mich ganz unbefangen an, ich erschrak und wurde sicherlich kreideweiß.
»Ja, vielleicht auch früher, oder bei eurem nächsten Aufenthalt hier«, stotterte ich.
»Ist das versprochen?«
Ich nickte.
»Hörst du, Pariani? Paula kommt für längere Zeit zu uns. Dann kannst du dich mit zwei Damen präsentieren.«
»Wird mir ein Vergnügen sein.«
»Das kann ich mir vorstellen. Aber erwarte nicht zu viel.«
»Was meinst du?«
»Ich spreche von Männerfantasien, Pariani«, sagte Sibylle.
»Ach so, das ist auch ein schöner Gedanke«, erwiderte er, »durchaus reizvoll. Wenn ich mir das vorstelle, Sibylle und Paula, die eine schwarz, die andere blond. Zwei Damen, die sich lieben, zwei Damen, die mich lieben, zwei Damen, die ich liebe. Ja, ich glaube, dazu würde mir einiges einfallen.«
Er goss Wein nach, hob sein Glas und sah uns erwartungsvoll an.
»Willst du uns betrunken machen, Marco?«, erkundigte ich mich.
»Zwei Frauen, das ist etwas Wunderbares. Schade, dass dieses Modell in der Geschichte nicht beibehalten wurde, sehr bedauerlich. Was meint ihr, ist die monogame Lebensform wirklich erstrebenswerter?«
»Wir zwei sind doch eigentlich ganz gut damit klargekommen, Pariani, oder?«, meinte Sibylle. »Ich weiß nicht, ob eine Ehe zu dritt stabiler wäre. Sicher wäre sie aufregender und gewiss dramatischer. Und du, Paula, was meinst du?«
»Keine Ahnung«, sagte ich, »mit Beziehungen hatte ich bisher nicht viel Glück. Stabil war keine einzige, und ich habe jedes Mal drei Kreuze geschlagen, wenn ich es hinter mir hatte.«
»Dann solltest du es mal mit einem anderen Modell versuchen«, schlug Marco vor, »einer Ménage à trois beispielsweise. Sie war früher durchaus üblich und ist zu Unrecht in Vergessenheit geraten.«
»Ich werde darüber nachdenken«, sagte ich, »vielleicht ist das keine dumme Idee. Wenigstens hat man dann den Kerl nicht immer am Hals.«
»Genau«, stimmte er zu, »man hat einerseits mehr Vergnügen, andererseits mehr Freiheit. Die Polygamie hat sich zwar nicht durchsetzen können, aber das heißt ja nicht, dass mit der Einehe die vernünftigere Form historisch siegreich war. Es war lediglich das Staatsinteresse, das sich gegen Vernunft und Individualität durchgesetzt hat. Die Monogamie ist staatlich kontrollierbarer, steuerrechtlich wie militärisch, darum wurde sie Staatsreligion. Ein polygamer Haufen lässt sich nur sehr schwer regieren.«
»Von einem solchen Haufen träumst du wohl, Pariani?«, erkundigte sich Sibylle.
»Träumen? Nein, das ist Vorlesungsstoff, darüber lese
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