Frau Paula Trousseau
Paula.«
»Nein, das ist es nicht, aber es ist spät geworden«, sagte ich, öffnete die Tür, nickte den beiden zu und ging rasch in mein Zimmer. Auf dem Bett atmete ich erst einmal tief durch.
Das Gespräch in der Küche hatte mir überhaupt nicht gefallen. Meine Beziehung zu Sibylle überforderte mich, ich fühlte mich wohl bei ihr und gleichzeitig ängstigte sie mich. Ich wusste nicht, woran ich mit ihr war. Für sie war alles selbstverständlich, und wenn ich von meinen Ängsten sprach oder wenn sie meine Befangenheit bemerkte, lachte sie nur. Falls sie Pariani etwas von uns erzählen würde, ich wüsste nicht, wie ich darauf reagieren würde. Obwohl ich Wein getrunken hatte, war ich hellwach. Ich hätte mir diesen Besuch in Ahlbeck ersparen sollen.
»Schläfst du schon?«, fragte Sibylle.
Ich hatte sie nicht hereinkommen hören und fuhr hoch. Sie setzte sich zu mir auf die Bettkante, und ich schaltete das kleine Nachtlicht ein.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sie sich.
Ich nickte.
»Ich hatte Angst, Pariani hätte dich irgendwie verstört. Es gibt keinen Grund zur Besorgnis, Paula, er stochert im Nebel herum, das ist alles. Ich habe ihm nichts erzählt, gar nichts, sei unbesorgt.«
»Ich mache mir keine Sorgen. Worüber denn auch?«
»Dann ist es gut. Gute Nacht, Liebe.«
Sie beugte sich vor, küsste mich auf die Stirn und verließ das Zimmer.
20.
Am nächsten Morgen verloren die Parianis kein Wort über den gestrigen Abend, sie waren aufgeräumt und verwöhnten mich von vorn bis hinten. Ich musste am Gartentisch in der Sonne sitzen bleiben, während sie in der Küche das Frühstück vorbereiteten, hin und her liefen, um den Tisch unter der Kastanie zu decken, und die Kannen mit Kaffee und Saft, die Konfitüregläser und die Käseplatte herausbrachten. Beim Frühstück erzählte Marco von den Nachbarn im Ort, die alle von den Feriengästen lebten, sich die begehrten Ostseequartiere teuer bezahlen ließen und sich zudem über die armen Urlauber lustig machten. Marco wies auf das rechte Nachbarhaus, der Besitzer habe auf dem hinteren Teil des Grundstücks eine Garage gebaut, sein Auto stehe jedoch nur in den Wintermonaten darin, in der Ferienzeit parke er es auf der Straße. Dafür wurden Gardinen am Garagenfenster angebracht, ein kleiner Kronleuchter reingehängt und der Raum, mit Bett, Tischund Stühlen möbliert, als Ferienbungalow vermietet. Sibylle und Marco erzählten, einander ins Wort fallend, wie den ganzen Sommer über Familien in der ausstaffierten Garage um den Tisch saßen, glücklich, ein Quartier an der See bekommen zu haben, und ahnungslos über einen Teppich gingen, der nur die Öl- und Benzinflecke abzudecken hatte.
»Ekelhaft«, sagte Marco, »stell dir das vor, Paula. Da drinnen muss es stinken wie an einer Tankstelle.«
»Und es ist nicht gesund.«
»Natürlich nicht. Eigentlich müsste der Bürgermeister einschreiten. Eine Familie in eine Garage einzuquartieren, das ist unverantwortlich. Diese Benzindämpfe sind krebserregend, soviel ich weiß.«
Ich schaute unwillkürlich zu Sibylle, aber sie blickte mich scheinbar sorglos an.
»Bleib doch noch einen Tag«, sagte sie, »das Wetter ist wunderbar, und in Berlin läuft dir doch nichts weg.«
»Nein, meine Arbeit wartet. Die läuft mir nicht weg, aber sie erledigt sich auch nicht von allein.«
»Einen Tag, Paula. Mir zuliebe. Und wenn du heute unbedingt fahren musst, es geht noch am Abend ein Zug von Anklam. Ich fahr dich mit dem Auto an die Bahn.«
Ich wollte eigentlich unbedingt abreisen, aber es fiel mir schwer, in dieser Situation Sibylle einen Wunsch abzuschlagen. Vielleicht würde es ihr letzter Urlaub sein, vielleicht wäre sie zum allerletzten Mal im Leben in ihrem Ferienhaus. Und wer weiß, vielleicht würde ich sie das nächste Mal in einem Krankenhaus besuchen müssen.
»Denk nicht nach. Sag einfach ja.«
»Gut, ich fahre abends. Ich werde ja hoffentlich vor Mitternacht zu Hause sein.«
»Danke, Paula. Wir machen uns einen wunderbaren Tag, wir zwei. Heute soll Pariani sehen, wie er alleinzurechtkommt, ich gehe mit dir essen. Ich werde bei Szuminski einen Tisch bestellen, bei ihm bekommen wir einen Platz.«
»Vielleicht sollte ich mir heute einen freien Tag gönnen und euch begleiten. Was haltet ihr davon? Werde ich zugelassen, oder bin ich unerwünscht?«
»Du überraschst mich, Pariani. Paula muss dir sehr gefallen.«
»Ihr beide, Sibylle. Also, was machen wir? Ich bin zu allem bereit.«
»Wir fahren
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