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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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habt.«
    »Seit zwanzig Jahren? Das mag sein. Gab wohl nichts zu reden.«
    »Aber er ist doch dein Sohn.«
    »Jaja, der Gerhard ist mein Sohn.«
    »Bist du mit ihm böse, weil er deinen Hof nicht übernehmen wollte?«
    »Wir haben uns nicht verstanden. Das gibt es. Ich kam besser mit dem Hans zurecht, mit seinem Bruder, den hast du nicht mehr kennengelernt. Aber den Gerhard, den hat etwas getrieben, innerlich, meine ich. Der war immer so ein Sturschädel, ein Wutnickel, schon als Schulbub. Und als er siebzehn war, ist er auf und davon. Ist in die Stadt gegangen, wollte was Besseres werden. Na ja, das ist er dann wohl auch geworden, der Herr Direktor.«
    »Und warum redest du nicht mit ihm?«
    »Rede ich nicht mit ihm oder redet er nicht mir? Ich weiß nicht. Hat sich so ergeben, wir haben uns nichts zu sagen. Das kommt vor, Paula, auf einmal ist man sich fremd geworden. Willst du noch eine Limonade? Ich hole mir noch ein Bier. Oder du kannst mir das holen.«
    »Darf ich es dir aufmachen? – Denkst du manchmal an ihn, an meinen Vater?«
    »Sicherlich, Paula, an ihn und an Hans. Der ist ja schon achtzehn Jahre tot. Hat die Flucht mit uns mitgemacht und überall mit angepackt. Mit zwei großen Leiterwagen sind wir los, mit sieben Pferden und dem anderen Viehzeug. Als wir an der Oder anlangten, hatten wir nur noch ein Pferd und einen Wagen, und da war kaum noch was drauf. Dann kam wieder ein Soldat und wollte unser letztes Pferd. Und da hat Hans Nein gesagt. Hat sich zwischen das Pferd und den Russen hingestellt, und der Russe hat nur einmal mit dem Gewehrkolben zugeschlagen. Nur einmal, ein einziges Mal. Und dann haben wir Hans begraben.«
    »Und Vater?«
    »Vater war nicht dabei. Der hatte sich freiwillig zu den Soldaten gemeldet, wollte Offizier werden. Kam inGefangenschaft, tat sich dabei wieder mächtig hervor, machte Karriere, selbst im Lager. Dein Vater war ja immer ganz stramm und vorneweg. Und so wurde er nach dem Krieg Neulehrer und sogar Direktor. Aber ein Wutnickel ist er geblieben, oder?«
    Paula lächelte, ihr gefiel der Ausdruck.
    »Aber warum redet ihr nicht miteinander?«, fragte sie nochmals.
    Da ihr Großvater nur schweigend sein Bier trank, fragte sie weiter: »Und was wird mit deinem Bauernhof?«
    »Das geht wohl alles kaputt«, erwiderte ihr Großvater. Er stellte das Glas hin, strich ihr übers Haar und sagte dann: »Aber nun sollten wir ins Bett gehen, Paula.«
    In der Tür stehend wandte sie sich noch einmal an ihren Großvater: »Und du hast sie wirklich nicht geschlachtet?«
    »Die Karnickel? Nein, die sind bei der Frau Zetsche. Die kannst du dir morgen anschauen, gleich morgen früh. Sag der Zetsche nur, dass du von mir kommst, dann zeigt sie sie dir.«
18.
    Als ich im August für ein paar Tage Sibylle in ihrem Haus in Ahlbeck besuchte und sie mich am zweiten Tag fragte, ob ich mit jemanden zusammen sei, sagte ich, ich sei allein. Jan zählte für mich nicht, und obwohl ich ihn noch gelegentlich sah, hatte ich nicht das Gefühl, ihr die Unwahrheit zu sagen.
    »Man sieht es, Paula«, sagte Sibylle, »man sieht dir die Einsamkeit deutlich an, sie ist dir ins Gesicht geschrieben.«
    »Ist das gut? Ist das schlecht? Ich finde es wunderbar so.«
    »Sagen wir, es steht dir. Du wirkst so verletzlich. Wenn ich dich anschaue, möchte ich dich gleich in den Arm nehmen.«
    »Ja, aber nicht, um mich zu trösten. Du willst mich verführen. Du hast eine unschuldige Studentin verführt, die überhaupt keine Ahnung hatte.«
    Marco Pariani erschien in der Küche und erkundigte sich, worüber wir lachten.
    »Geh an deinen Schreibtisch, Pariani, und stör uns nicht«, erwiderte Sibylle, »wir reden über Frauengeschichten, und von Frauen verstehst du nichts. Studiere deine Zahlen und Formeln. Wir essen heute später. Paula und ich wollen noch einen Strandspaziergang machen und durch die Geschäfte laufen.«
    »Braucht ihr Geld?«
    »Gib Paula etwas. Sie hat uns das schöne Bild mitgebracht, da kannst du dich auch mal spendabel zeigen.«
    »Ich will von euch kein Geld.«
    »Stell dich nicht so an, Paula. Pariani ist schließlich Ökonom, der hat das mit dem Geld studiert. Wenn er kein Geld hat, wer dann?«
    Wir liefen durch Ahlbeck, überall drängten sich die Touristen, die Geschäfte waren überfüllt, und ich sagte Sibylle, dass ich hier nichts kaufen wolle, wir sollten direkt an den Strand gehen. Ich musste ihr von meiner Arbeit erzählen und von der Ausstellung in Altenburg, und sie wollte wissen, mit wem

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