Frau Paula Trousseau
zuerst nach Zinnowitz, ich will dort nach Schuhen schauen. Das musst du dann auch mitmachen, mein Lieber.«
»Schön, also zuerst einen Einkaufsbummel. Ich stehe den Damen zur Verfügung.«
Wir fuhren mit dem Auto in das benachbarte Ostseebad, mischten uns unter die Urlauber auf der Geschäftsstraße und schoben uns mit ihnen durch die überfüllten Läden. Offensichtlich verführt Urlaub zum Geldausgeben, ich staunte, welchen Unsinn die Leute kauften. Sibylle wollte unbedingt einen handgearbeiteten Wickelrock für mich erstehen, was ich strikt verbot, aber hinter meinem Rücken kaufte sie mir dann einen sehr damenhaften Hut mit einer riesigen Krempe, den ich kurz zuvor aufprobiert hatte. Sie drückte mir auf der Straße die Hutschachtel in die Hand und sagte: »Ich könnte es nicht ertragen, wenn ich eine andere Frau mit diesem Hut sehen müsste. Er steht dir einfach zu gut. Nimm ihn und sag nichts.«
Zu Mittag aßen wir in Wolgast. Pariani war gut aufgelegt und bemühte sich, uns zu unterhalten. Es war schön, die beiden zu beobachten. Ein Paar, das sich liebte. Es war kein Falsch dabei, es hatte keinen fatalen Goût, nicht den Hauch des Peinlichen und Aufgesetzten. Sie waren ganz offensichtlich so herzlich und vertraut miteinander,wie sie sich gaben. Sehnsucht kam in mir auf, während ich ihnen zuschaute. Eine Sehnsucht, die ich rasch beiseitewischte. Es gefiel mir, den beiden zuzusehen, aber ich wusste, ich selbst könnte ein so harmonisches Verhältnis auf Dauer nicht ertragen. Ich hatte mich in meinen Leben stets aus eigener Kraft durchsetzen müssen, und ich werde auch weiterhin nur auf meine Energie bauen und nicht auf jene sogenannte weibliche Ausstrahlung, von der die Männer immer reden, auf diese Ausstrahlung von Schönheit und liebenswürdiger Anmut, die sie sich von uns erhoffen und die es ihnen leicht und bequem macht, so bequem, dass sie sogar glauben, mit uns zusammenleben zu können.
Am Nachmittag lagen wir am Strand und sprachen über Wünsche, über jenen großen Wunsch, den jeder von uns habe, wie Marco meinte. Sibylle sagte, sie wünsche sich eigentlich nur, dass sich nichts mehr verändere in ihrem Leben, sie wünsche sich, den Augenblick festhalten zu können.
»So wie jetzt, wie jetzt mit euch beiden, so wie es mir bisher in diesem Jahr ging und in dem Jahr davor, so sollte es bleiben, eine Ewigkeit lang. Oder zumindest für dreißig Jahre«, sagte sie, »siebzig Jahre zu leben, fünfundsiebzig, das würde mir genügen.«
Dann wandte sie sich zu ihrem Mann: »Und du? Was hast du für einen großen Wunsch?«
Pariani sah Sibylle nicht an, als er antwortete: »Dass ich vor dir sterbe. Ich möchte dich nicht überleben. Ich möchte mein Leben lang mit dir zusammen sein, aber ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass ich vor dir gehe.«
»Das ist sehr egoistisch«, sagte sie. »Und ich? Was soll ich tun, wenn du vor mir stirbst?«
»Du bist viel stärker als ich. Du kommst zurecht, das weiß ich. Nun, wie auch immer, meine Aussichten sindgut, ich bin ein paar Jahre älter als du, und Männer sterben statistisch ohnehin zehn Jahre früher.«
»Ach, Pariani«, sagte sie traurig, »falls ich vor dir sterbe, nimmst du dir einfach so rasch wie möglich eine andere Frau. Allein kannst du nicht leben, das weiß ich, aber es gibt so viele schöne Frauen. Irgendeine wird dir gefallen.«
Er schaute sie an, sagte aber nichts. Sibylles Augen waren dunkel geworden. Sie wandte den Kopf und sagte zu mir: »Und nun bist du dran, Paula. Was wünschst du dir?«
Als ich sagte, dass ich eigentlich keinen besonderen Wunsch habe, da ich zufrieden und glücklich sei, wenn ich meine Arbeit machen kann, schüttelte sie den Kopf.
»Das glaube ich dir nicht«, erwiderte sie, »irgendeinen Wunsch wirst auch du haben. Du willst ihn uns nur nicht erzählen.«
»Nein«, sagte ich, »die Arbeit ist für mich alles.«
»Und es gibt keinen Menschen, mit dem du Hoffnungen verbindest? Von dem du träumst?«
»Gott bewahre«, sagte ich nur und lachte laut auf.
Die beiden schauten mich prüfend an, erwiderten aber nichts.
21.
Daheim machten sie mir zuliebe ein frühes Abendbrot, Sibylle wollte sich nicht hetzen, wenn sie mich zur Bahn fuhr. Nach dem Essen zündete sich Pariani eine Zigarre an und fragte, ob wir ihm vor dem Haus Gesellschaft leisten wollten. Ich ging mit ihm, Sibylle machte für uns noch eine Weinschorle und kam dann mit drei Gläsern heraus. Sie setzte sich neben mich und legte ihren Arm um mich. Wir
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