Frau Paula Trousseau
den Namen wissen, den Namen von diesem Maler, und dann verlangte er von mir, dass ich ihn mit ihm bekannt mache. Er wolle ihn sprechen, er müsse ihn sprechen. Ich schüttelte den Kopf. Der Kellner stellte sich einen Meter neben unseren Tisch, wir waren die letzten Gäste und sollten endlich gehen.
»Komm, Jan«, sagte ich und stand auf.
Vor dem Ratskeller griff ich nach meinem Rad und setzte mich auf den Sattel.
»Wie? Und das ist alles«, fragte er.
»Ja«, sagte ich, »das ist alles. Mehr ist nicht dazu zu sagen, jedenfalls nicht von mir.«
»Und wann sehen wir uns?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Du kannst dich doch nicht auf diese Art von mir trennen. So einfach geht das nicht. Wir müssen miteinander reden, Paula.«
»Ich glaube, das ist keine so gute Idee«, sagte ich, »ich habe dir nichts mehr zu sagen.«
Er starrte mich mit offenem Mund an, ich nickte ihm zu und fuhr los. Er lief mir hinterher, er rief mir hinterher, ich drehte mich nicht um. Daheim klingelte das Telefon, immer wieder, bis drei Uhr nachts. Ich ließ es klingeln, ich nahm den Hörer nicht ab. Sollte Jan doch annehmen, ich sei bei jenem anderen Mann, es würde ihm helfen, sich von mir zu trennen, mich zu vergessen.
Ich wollte das Kind, und ich wollte es behalten. Die Schwangerschaft kam für mich ein wenig überraschend, sie war nicht geplant gewesen, jedenfalls nicht bewusst. Aber möglicherweise hatte der Wunsch nach einem Kind in meinem Körper gesteckt, denn ich war über mich selbst verwundert, dass ich, als die Regel ausgeblieben war, sofort eine Schwangerschaft vermutet hatte und völlig gelassen blieb. Ich würde ein Kind auf die Welt bringen, und ich würde es behalten. Kein Mensch und kein Mann sollte es mir streitig machen können, auch nicht sein Vater, und darum sollte er nichts davon erfahren. Ich hatte Cordula verloren, und ich vermisste sie, je länger, umso schmerzlicher. Sie war jetzt fünf Jahre alt, fünf Jahre und sieben Monate, und ich durfte sie nicht einmal sehen. Das sollte mir nicht noch einmal passieren. Ich wollte das Kind, ich brauchte es, und zwar für mich. Jan würde es nie erfahren, es war mein Kind, nur meins. Was hatte er damit zu tun! Wir hatten miteinander geschlafen, und weder er noch ich hatten dabei an ein Kind gedacht. Der Rest war allein meine Angelegenheit.
2.
Ein Rettungswagen fuhr auf den Schulhof und hielt kreischend, dann wurde das Martinshorn abgestellt, danach der Motor, man hörte das Klappen der Türen. Drei Schüler waren an das Fenster gelaufen, doch die Lehrerin hatte sie zur Ordnung gerufen und auf ihre Plätze zurückgeschickt. In der Klasse wurde geflüstert, alle rätselten, weshalb ein Arzt gebraucht wurde, die Lehrerin musste mehrfach die Jugendlichen ermahnen. Nach einigen Minuten hörte man den Wagen vom Hof fahren, und das Signalhorn heulte wieder los.
Kurz vor Ende der Schulstunde kam Frau Pallocks, die Sekretärin des Schuldirektors, in die Klasse, ging zur Lehrerin und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Die gesamte Klasse starrte gebannt auf Frau Würthner und Frau Pallocks, alle versuchten etwas von dem mitzubekommen, worüber sich die beiden Frauen unterhielten. Paula bemerkte, dass die Frauen mehrmals zu ihr schauten. Als die Pausenklingel im Flur schrill schepperte und die Schüler von den Sitzen aufsprangen und zu den Garderobenhaken liefen, rief Frau Würthner Paula zu sich.
»Warte bitte einen Moment«, sagte sie, beugte sich über das Klassenbuch und trug etwas ein. Als sie damit fertig war, klappte sie das Buch zu und sah in den Klassenraum. An der Garderobenleiste standen vier Schüler. Frau Würthner sagte zu ihnen, sie sollten das Klassenzimmer verlassen und auf den Hof gehen. Sie wartete, bis sie hinausgegangen waren, bevor sie sich dem jungen Mädchen zuwandte.
»Paula, ich habe Ihnen etwas zu sagen. Es tut mir sehr leid, aber Ihrem Vater ist etwas zugestoßen. Er ist zusammengebrochen. Das Krankenauto war seinetwegen hier, sie haben ihn in die Klinik gebracht.«
Paula hörte schweigend zu und versuchte zu begreifen, was ihr die Lehrerin sagen wollte.
»Ihr Vater wurde ohnmächtig. Frau Pallocks fand ihn. Sie hat alles versucht, aber er kam nicht wieder zu Bewusstsein, weshalb sie gleich den Rettungsdienst gerufen hat. Wir machen uns alle große Sorgen, doch nun ist er in den besten Händen.«
Paula wusste nicht, was sie sagen sollte.
»Haben Sie mich verstanden, Paula? Ihr Vater ist schwer krank.«
»Ja«, antwortete sie schließlich
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