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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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aufmunternd an, dass ich mich augenblicklich beruhigte. Hinter einem Tisch saßen drei der Professoren, mit denen ich in den letzten Tagen zu tun hatte. Sie fragten mich nach meiner bisherigen Ausbildung und wollten wissen, was ich für Zukunftsvorstellungen hätte. Dann stand der rothaarige Professor auf, stellte sich vor mir auf, streckte die Hand aus, schüttelte meine und gratulierte mir.
    »Wir sehen uns im September, Fräulein Plasterer. Oder wollen Sie zuerst Ihre Lehre als Krankenschwester abschließen? Was bedeuten würde, Sie kommen ein Jahr später zu uns.«
    Ich schüttelte heftig den Kopf.
    »Das meine ich auch«, sagte er, »Sie haben doch das Zeug dazu. Sie sind begabt, Sie brauchen keinen Brotberuf.«
    »Dann bin ich angenommen? Ich habe die Prüfung bestanden?«
    »So ist es. Bestanden mit Glanz und Gloria.«
    Ich wollte aufstehen. Ich hatte mich bereits halb erhoben, als meine Beine nachgaben und ich auf den Stuhl zurückfiel. Dann begann ich zu weinen. Ich saß auf dem Stuhl im Prüfungszimmer vor den Professoren der Kommission und heulte hemmungslos. Ich versuchte, mich zu beruhigen, doch das führte nur dazu, dass ich noch lauter schluchzte. Mein ganzer Körper wurde durchgeschüttelt. Der rothaarige Professor redete begütigend auf mich ein. Er nahm meinen Arm, zog mich hoch und brachte mich zur Tür.
    »Es ist alles gut, Fräulein Paula. Es ist alles wunderbar. Setzen Sie sich draußen auf die Bank und beruhigen Sie sich. Was sollen die anderen Studenten denken? Die glauben noch, dass wir die Kandidaten foltern.«
    Er nahm mich in beide Arme, öffnete die Tür und wollte mich hinausschieben.
    »Meine Mappe«, sagte ich, »meine Bilder.«
    »Ja, die sollten Sie nicht vergessen. Und nun trinken Sie einen auf Ihren Erfolg.«
    Er brach unvermittelt in lautes Lachen aus. Er lachte noch, als ich zum Professorentisch lief, nach meiner Mappe griff und aus dem Zimmer eilte.

    Erst nachdem ich in das Bahnabteil eingestiegen war, wurde mir bewusst, dass ich eine Fahrkarte für die Heimatstadt gekauft hatte und in den Zug zu den Eltern eingestiegen war, anstatt nach Leipzig zu fahren, zu meinem Verlobten oder in das Schwesternheim. Ich nahm das Versehen belustigt zur Kenntnis, und obwohl der Zug noch auf dem Bahnhof stand, stieg ich nicht aus. Es soll wohl so sein, sagte ich mir, wer weiß, wozu es gut ist. Ich packte die Tasche in das Gepäckfach, die Mappe mit den Zeichnungen hatte ich gegen das Polster hinter meinem Sitz gelehnt.Eine Frau mit zwei kleinen Kindern kam in das Abteil und setzte sich mir gegenüber. Die Kinder klagten, dass sie keinen Fensterplatz hätten, und ihre Mutter fragte die beiden Männer am Fenster, ob sie etwas rücken würden, damit die Kleinen hinausschauen könnten. Die Männer sahen die Frau für einen Moment irritiert an, als hätten sie die Frage nicht verstanden, dann setzten sie ihr Gespräch fort. Die Frau nahm ihren Koffer aus der Ablage und forderte ihre Kinder auf, mitzukommen, um in einem anderen Zugabteil einen Fensterplatz zu suchen. Ich schaute finster zu den Männern, aber eigentlich war ich erleichtert, die nörgelnden Kinder los zu sein. Ich wollte allein sein.
    Nachdem der Zug den Bahnhof verlassen hatte, nahm ich die Mappe vom Sitz, stellte sie neben mich und öffnete die drei Verschlüsse. Ich klappte sie auf, um einen Blick auf die Blätter zu werfen, achtete aber darauf, dass die beiden Mitreisenden von den Zeichnungen nichts sehen konnten. Immer wieder sagte ich mir, dass ich die Prüfung bestanden habe, dass ich im nächsten Jahr, im September, nach Berlin ziehen und an der Kunsthochschule studieren werde.
    Mein Entschluss, mich an der Schule zu bewerben, war aus einer Laune heraus erfolgt. Ich hatte nie damit gerechnet, überhaupt zu einer Prüfung eingeladen zu werden, es war mir nicht vorstellbar, dass ein Mädchen aus einer winzigen Kleinstadt und ohne jede Förderung und Ausbildung zu einem solchen Studium zugelassen würde. Ich hatte mich beworben, weil ich mich an die Aufmunterungen meines Zeichenlehrers an der Grundschule erinnerte. Und ich hatte mich beworben, weil meine Verlobung mit Hans immer unabweisbarer auf eine Ehe zusteuerte und meine Angst vor dieser Endgültigkeit zu panischem Entsetzen angewachsen war. Ich hatte die Bewerbungsunterlagen abgeschickt, um vor mir selbst zu fliehen, und ich hattemich in Berlin und nicht in Leipzig beworben, um der Ehe mit Hans zu entgehen. Ich liebte ihn und fühlte mich auch von ihm geliebt, und wenn ich

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