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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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beklagthatte, war seine fehlende Bereitschaft, mit mir zu sprechen. Er konnte nicht verstehen, weshalb ich unbedingt irgendwelche Diskussionen mit ihm führen wollte. Wenn er Probleme habe, spreche er mit seinem Anwalt, er wolle eine Freundin oder Frau, mit der man sich sehen lassen könne und die ein bisschen Pfeffer in die Sauce bringt. Als ich einmal nach solchen Sätzen einen Wutanfall bekam, schaute er mich erschrocken an, nahm mich in den Arm und bat mich, seine Frau zu werden. Ich sah ihn entsetzt an, lief aus dem Zimmer und schloss mich im Bad ein. Ich war fassungslos, begriff aber, dass dies von ihm nicht böse gemeint war. Ich hatte die Wahl, ihn zu verlassen, in das Wohnheim zurückzukehren und auf einen Traumprinzen zu warten, oder bei ihm zu bleiben, um mit ihm das Leben zu genießen.
    Einen Monat nach seinem Antrag hatte ich gesagt, ich sei bereit, ihn zu heiraten. Er hatte es mit einem breiten Grinsen zur Kenntnis genommen, er war sich sicher gewesen, dass ich Ja sagen würde. Er war so sehr von sich und seiner Vollkommenheit überzeugt gewesen, dass ich meine Einwilligung augenblicklich bereute und am liebsten zurückgenommen hätte. Aber darüber hätte er auch nur wieder gelächelt und es für eine meiner Marotten gehalten, die er überdies als liebenswert zu bezeichnen pflegte. Hans ist ein Mann, für den Frauen Schmuckgegenstände sind, die man im Arm hält, denen man die Tür aufhält und in den Mantel hilft, die man auf Händen trägt, beschenkt, bewundert und verehrt, die man zum Lachen bringt und mit denen man scherzt. Ich kam mir vor wie ein Pudel, ein teurer rassereiner Pudel, der stets frisiert und mit Bändern geschmückt ist, den man ausführt und auf Ausstellungen vorzeigt.
    Dass ich malte, fand er wunderbar und kaufte mir im Künstlerbedarf die teuerste Staffelei und riesige Kästenmit Aquarell- und Ölfarben. Sie mir zu schenken gefiel ihm, und er sah sich gern meine Blätter an und lobte mich, doch dass ich auf die Kunsthochschule gehen wollte, kam ihm lachhaft und grotesk vor. Ich sollte für mich malen, ich sollte einem hübschen Hobby nachgehen, mit meinen Bildern wollte er die Zimmerwände schmücken, er wollte sie den Freunden zum Geburtstag schenken, doch keinesfalls sollte ich Ehrgeiz entwickeln und daran denken, das Malen als Beruf auszuüben. Krankenschwester war für ihn genau der richtige Beruf für eine Frau, und Malerei in seinen Augen nur ein Zeitvertreib. Er hatte nie begriffen, was das Malen für mich wirklich bedeutet, er konnte es nicht, weil es außerhalb seiner Vorstellungswelt lag. Frauen, die Erfolg in ihrem Beruf hatten, verachtete er, sie waren für ihn lächerliche und bedauernswerte Mannweiber, die keinen Kerl gefunden hatten. Und der Gedanke, dass seine Freundin, seine zukünftige Frau einen richtigen Beruf ausüben wollte, für den sie alles hintanstellt, war für ihn unerträglich. Wenn er mich liebte, wenn er mich wirklich so liebte, wie er es andauernd beschwor, dann musste er akzeptieren, dass seine Frau an der Kunsthochschule studiert und Malerin werden wird.
8.
    Als ich daheim ankam, war Vater bereits von der Schule zurück. Ich begrüßte ihn, aber er nickte nur und sagte kein Wort. Auch Mutter fragte mich nicht, wie es mir in Berlin ergangen sei, doch war ihr anzumerken, dass sie es liebend gern wissen wollte. Vielleicht hatte Vater ihr verboten zu fragen. Mutter erkundigte sich nur, ob ich etwas gegessen habe oder sie mir etwas zubereiten solle. Ich sagte, ich würde gern einen Kaffee trinken, bevorich wieder zur Bahn gehe. Ich sei nur auf der Durchreise und wolle noch heute zu Hans fahren, ich hätte für die Prüfung auch nur fünf freie Tage bekommen und müsse morgen früh wieder in der Klinik sein. Als wir am Tisch saßen, erkundigte sich Vater ironisch, wann denn nun die Hochzeit sei oder ob sie inzwischen abgesagt wurde.
    »Es wäre kein Wunder«, sagte er und lächelte böse.
    »Keine Ahnung«, sagte ich und bemühte mich, ruhig zu bleiben, »ich muss das noch mit Hans absprechen.«
    Ich aß das Kuchenstück, ohne aufzusehen. Die Eltern beobachteten mich dabei, wie ich spürte.
    »Und?«, fragte Vater schließlich, »hat man dir in Berlin gesagt, was dein Gepinsel wert ist? Hat man dir endlich diesen Zahn gezogen?«
    Urplötzlich waren meine Verlegenheit und all meine Hemmungen weggefegt, diese Beklemmungen und Ängste. Ich sah Vater in die Augen, ganz ruhig und ganz kalt. Und dann sagte ich leise: »Ja. Hat man. Man hat mir in Berlin

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