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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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vor einer solch endgültig erscheinenden Verbindung zurückschreckte, so deshalb, weil ich fürchtete, dass etwas ein für alle Mal zu Ende geht, was ich bewahren wollte. Das Ende meines jetzigen Lebens, das gerade erst, seit meinem Auszug aus dem Elternhaus, begonnen hatte, stand bedrohlich vor mir. Mit der Ehe würde ich wieder in ein Haus eingesperrt sein, und alles, was ich dann noch zu erwarten hätte, das wären der Ehealltag, die Kinder und schließlich das Altern und der Tod. Nein, ich fürchtete mich vor diesem beginnenden Finale, ich wollte nicht heiraten, jetzt noch nicht, ich wollte noch ein paar Jahre allein leben, mich ab und zu mit Hans treffen, aber doch immer mit der Möglichkeit, in die eigenen vier Wände zurückzukehren, wo mir niemand etwas sagen konnte, mein Vater nicht und auch kein Ehemann. Ich hatte Angst, wie meine Mutter zu werden, die ihr ganzes Leben lang die Ausfälle und Beleidigungen ihres Mannes zu ertragen hatte und sie ohnmächtig und mit einer beständig unterdrückten Wut hinnahm, weil sie keinen Ausweg für sich sah und der Kinder wegen alles erduldete. Ich fürchtete, den Freiraum, den ich mir seit meinem Weggang von daheim erobert hatte, zu verlieren. Es war nur ein winziger Freiraum, der aus einer anderen Stadt bestand, aus den wenigen Stunden nach der Arbeit, in denen mir keiner reinreden und sagen konnte, was ich zu tun und zu lassen hatte, sowie dem kleinen Zimmer, das ich mit einer anderen Schwesternschülerin teilte. Es war eine lächerlich kleine Unabhängigkeit, aber die erste, die ich je erlebt hatte, und ich wollte sie und mich nicht aufgeben. Zwei Freundinnen von mir hatten bereits geheiratet, und ihr Beispiel, all das, was ich bei ihnen beobachtet hatte, diese neuerlichen Zwänge, dienun nicht mehr von den Eltern oder den Lehrern, sondern vom Ehemann ausgingen, sowie die auch vor Gästen kaum verhüllten Grobheiten und Beleidigungen, alles das ließ mich vor einer Ehe zurückscheuen. Zudem war Hans dreizehn Jahre älter als ich und bereits einmal verheiratet gewesen. Er hatte unverrückbare Grundsätze, auch über Frauen und Ehe. Bei ihm müsste ich mich einordnen, er würde mir Tag für Tag alles erklären und von mir erwarten, dass ich es richtig mache oder vielmehr genau so, wie er es wünschte und verlangte. Wir würden kein gemeinsames Leben haben, sondern ich würde in sein komplett eingerichtetes Haus einziehen, in sein komplett eingerichtetes Leben, ich wäre sein Gast, sein Untermieter, mein ganzes Leben lang.
    An anderen Tagen beschimpfte ich mich wegen meiner Ängste, sagte mir, ich sei ein unreifes, verschüchtertes Mädchen, ich müsse endlich erwachsen werden.
    Ich dachte an Katharina. Der Mann mir gegenüber betrachtete mich, irgendetwas schien ihn zu belustigen. Ich ließ mich nicht aus der Fassung bringen und sah ihn strafend an. Dann band ich die Bänder der Zeichenmappe zu und stellte sie auf den Sitz zurück. Ich versuchte mich auf die bevorstehenden Gespräche mit den Eltern und Hans zu konzentrieren. Ich hoffte, die bestandene Prüfung würde mir helfen. Wenn Vater mich wieder beschimpfen sollte, würde ich das Haus verlassen und nie wieder zurückkehren, und falls Hans nicht begreifen sollte, was mir dieses Studium bedeutete, und er weiterhin so tun würde, als wäre alles nur der Spleen eines kleinen Mädchens, würde ich die Verlobung auflösen. Eine Heirat ist nicht so wichtig, nicht für einen Mann, aber auch nicht für eine Frau. Für Hans waren Frauen ein nettes Zubehör, ein Extra, um das Leben angenehmer zu gestalten, ein kleiner kostbarer Schmuck. Wo immer ich mit ihm auftauchte,musste ich strahlen, seine Kollegen, seine Freunde, seine Geschäftspartner sollten sich um mich reißen und ihn beneiden, dann war er glücklich und mit mir zufrieden. Ich wusste, dass er mich liebte, dass er mich gewiss mehr als jede andere Frau liebte, aber eben auf seine Art.
    Unsere Beziehung erschien mir bereits nach einem halben Jahr wie eine langjährige Ehe, ich wusste immer im Voraus, was er erwartete und von mir verlangen würde, und wenn er mich überraschen wollte, so waren der Anlass wie das Geschenk oder die Einladung so logisch und folgerichtig, dass ich es Stunden vorher hätte ansagen können. Mit Hans war ich länger zusammen als mit allen Männern vor ihm, so dass ich nicht überrascht war, als er eines Tages von Heirat sprach. Für mich war es bedeutungslos, aber ich hatte auch nichts dagegen, und da es für ihn wichtig war, war ich

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