Frau Paula Trousseau
Dienstag und Mittwoch standen wir im Atelier. An beiden Tagen gab man uns Aufgaben, wir hatten verschiedene Zeichnungen nach vorgegebenen Motiven anzufertigen, sollten Blumen in einer Vase malen, Stühle und das Atelier, mussten mit Bleistift und Kohle zeichnen und mit Tempera und Öl malen. An einem Nachmittag kam ein Modell zu uns, ein sehr alter Mann mit einem durchtrainierten Körper, der sich halbnackt in das Atelier setzte und den wir mit Kohle und danach mit Kreide zeichneten. Am Donnerstag arbeiteten wir mit Ton, wir sollten Reliefs anfertigen, Hoch- und Flachreliefs, und ich hatte damit die größte Mühe, weil ich mit Gips und Ton ungern arbeitete, schließlich wollte ich nicht Bildhauerin, sondern Malerin werden.
An den drei Tagen in den Ateliers war ich bemüht, mich auf meine eigene Arbeit zu konzentrieren. Ich wollte nichts von dem sehen, was die anderen machen, weil ich, wann immer ich einen Blick auf die Blätter der anderen warf, den Eindruck hatte, alle anderen seien sehr viel besser als ich. Aber den anderen Bewerbern ging es wohl nicht besser als mir, wir waren alle befangen, und selbst wenn einer einen Witz machte, spürte ich Argwohn und Misstrauen. Wir waren Konkurrenten, jeder von uns konnte nur gewinnen, wenn der andere verliert, wenn möglichst viele der anderen Prüflinge durchfallen.
Nach jedem Prüfungstag fuhr ich umgehend in Kathis Wohnung. Die anderen verabredeten sich für den Abend, aber ich wollte allein sein oder mit Kathi reden. Ich hattekeine Lust, mit den anderen zusammenzusitzen, um den ganzen Prüfungstag zu bereden und über unsere Chancen zu spekulieren.
Und nun war die Woche überstanden, und ich würde um zehn Uhr hören, ob meine Leistungen ausreichend seien, um an dieser Hochschule studieren zu dürfen.
Kathi schien noch zu schlafen, ein Bein lag über der Bettdecke, der Hintern war entblößt, der Mund leicht geöffnet, sie atmete ruhig und regelmäßig. Ich betrachtete ihr Gesicht, die Lippen waren im Schlaf gelöst und wirkten voll und sinnlich, die geschlossenen Augen gaben ihr eine Ruhe, die sie nie ausstrahlte, wenn sie wach war, dafür waren ihre Augen zu lebhaft. Die Wange und ihr Kinn waren rund und weich, wenn Kathi nicht aufpasste, würde sie Fett ansetzen und pummelig werden. Oder vollschlank, wie die freundliche Modebranche zu sagen pflegt. Eins ihrer kleinen Ohren war zu sehen, im Ohrläppchen steckte ein winziger roter Stein, sie hatte wohl vergessen, ihn abzunehmen, oder schlief immer mit dem Schmuck.
Ich wusste, dass ich nicht mehr einschlafen würde. Daheim wäre ich jetzt aufgestanden und hätte mir Frühstück gemacht, doch ich wollte Kathi nicht wecken und blieb liegen. Langsam und jede Bewegung vermeidend, die die Couch erschüttern oder die Bettdecke rutschen lassen könnte, drehte ich mich auf den Bauch und stützte meinen Kopf auf die Hände, um die schlafende Katharina zu betrachten. Ich versuchte, mir vorzustellen, wie sie mit einer Frau zusammen ist, wie sie mit ihr flirtet, sie streichelt und küsst, wie sie mit ihr ins Bett geht. Es erschien mir töricht und kindisch, es war mir unverständlich und ich konnte es nicht begreifen. Kathi hatte zu mir gesagt, dass sie noch nie mit einer Frau zusammen, noch nie mit einer Frau intim gewesen sei, doch ich glaubte es nicht. So, wiesie darüber gesprochen hatte, besaß sie Erfahrungen mit Frauen. Mir selbst war es so fremd und fern, dass ich es mir nicht vorstellen konnte, ich konnte mir meine Freundin im Arm einer Frau einfach nicht vorstellen. Und dass angeblich jede Frau solche Wünsche hat, dass also auch ich selbst tief in meinem Inneren und von mir selbst noch unentdeckt, wie Kathi behauptet hatte, eine solche Sehnsucht habe, erschien mir völlig abwegig. Ich schüttelte belustigt den Kopf.
Männer waren kompliziert genug, und ich konnte nicht behaupten, dass die, die ich kennengelernt hatte und die mich begehrten, auch nur annähernd denen aus meinen Vorstellungen und Träumen entsprachen. Der einzige Junge, der mir ohne jeden Abstrich gefallen hatte, ich hatte ihn nach einem Kinobesuch kennengelernt, wollte von mir nichts wissen. Ich hatte ein paar wunderbare Tage und Nächte mit ihm verbracht, aber dieser Sebastian hatte eine Freundin, die er meinetwegen nicht verlassen wollte. Die anderen Männer, auch Hans, gefielen mir, und es tat mir gut, mich fallen zu lassen, ihren Wünschen und Einfällen zu folgen, einen Orgasmus zu erleben, den eigenen oder zumindest den des Mannes. Das
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