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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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einverstanden. Eigentlich hatte ich nur Ja gesagt, weil ich mit den anderen Männern noch weniger zurechtkam als mit Hans und ich mir später nicht vorwerfen wollte, eine Chance verpasst zu haben. Ihm lag plötzlich viel daran, verheiratet zu sein, was ich nicht verstand, aber er war sehr viel älter als ich, über dreißig, vielleicht war ihm deswegen die Ehe auf einmal so wichtig geworden. Ich hätte es vorgezogen, ohne Trauschein mit ihm weiterhin zusammenzuleben, aber die Ehe schreckte mich auch nicht, sie muss schließlich nicht erst vom Tod geschieden werden.
    Und wenn er mich wirklich liebte, wenn ihm tatsächlich so viel an einer Ehe lag, so konnte er es jetzt beweisen.
7.
    Ich hatte Hans auf dem Messestand einer englischen Wollhandelsfirma kennengelernt. Beim Messeamt hatteich mich um einen Job als Standhilfe beworben und war einem älteren Herren zugeteilt worden, der eine Firma repräsentierte, die weltweit Wolle einkaufte und verkaufte. Der Mann war der Besitzer der Firma und behandelte mich sehr generös, gab mir jeden Abend eine große mit Konserven und Flaschen gefüllte Tüte, dafür verlangte er von mir Loyalität und Verschwiegenheit und eine weitgehend selbständige Führung des kleinen Standes, da er auf der Messe unterwegs war zu Gesprächen mit Kunden und Konkurrenten. An einem Donnerstagnachmittag war Hans Trousseau an den Stand gekommen und hatte mich angesprochen. Da ich allein war, vermutete er, ich vertrete die Firma und komme aus England, und redete englisch mit mir, und erst nach dem Austausch der Begrüßungsfloskeln bemerkten wir, dass wir Landsleute seien, was uns amüsierte. Ich erkundigte mich, ob er etwas mit Wolle zu tun habe. Er verneinte und sagte, er sei ein in der Wolle gefärbter Architekt, den keine Schafherde, sondern ein ganz anderes Schäfchen an diesen Stand gelockt habe. Wir verabredeten uns für das Wochenende.
    Die ersten Treffen mit ihm waren rundum geglückt. Er war witzig und großzügig, erzählte von seiner Arbeit, er besaß ein Architektenbüro, das allerdings nur jene kleinen Aufträge an Land ziehen konnte, an denen die großen staatlichen Büros nicht interessiert waren, und er vermied es, mich mit Fachdetails zu langweilen. Er war ironisch, brachte mich nach dem Essen mit seinem Auto zum Schwesternheim und verabschiedete sich formvollendet, ohne aufdringlich zu werden, jedenfalls akzeptierte er ohne Widerrede mein Kopfschütteln, als er mich bat, zu ihm in die Wohnung zu kommen.
    Hans Trousseau gefiel mir. Mir gefiel, dass er ein paar Jahre älter war und nie unsicher wirkte, sondern immer wusste, was er wollte, und bei allem, wo ich selbstunsicher war und mich nicht entscheiden konnte, rasch und selbstgewiss sagte, was zu tun sei. Er nahm stets Rücksicht auf mich, lächelte über meine Ängstlichkeit und Unsicherheit, und all meine Einwände nahm er geduldig hin, ging gelegentlich auf sie ein, entschied aber letztlich so, wie er es für richtig hielt, und was sich im Nachhinein stets als richtig erwies. Auch wenn ich mich gegen seine beständige Bevormundung wehrte und darüber beklagte, es gefiel mir, einen Mann zu haben, der selbstsicher auftrat. Mir gefiel sogar, wie ich mir widerstrebend eingestand, von ihm dirigiert zu werden, seine freundliche und höfliche Art, über mich zu verfügen. Und obwohl ich meine Ängstlichkeit und Feigheit hasste und gern eine stolze, selbstbewusste Frau gewesen wäre, brauchte ich einen starken Partner, dem ich mich vollständig ausliefern konnte, der für mich Entscheidungen traf. Und außerdem machte es mir Spaß, wichtige Leute kennenzulernen, von ihnen umschwärmt zu werden. Es gefiel mir, in seinem Haus zu leben, ein großes Badezimmer zu haben, einen Arbeitsraum für mich allein, in einer Küche zu kochen, die besser ausgestattet war als die Küchen einiger Restaurants. Hans genoss das Leben und ließ mich daran teilhaben. Er machte mir Geschenke und verwöhnte mich, er schien unermesslich reich zu sein. Als ich mich einmal nach seinen finanziellen Verhältnissen erkundigte, sagte er ausweichend, er habe einiges geerbt und noch ein paar Mark dazuverdient. Dann lachte er und erklärte, man habe nicht viel Geld, wenn man wisse, wie viel man habe.
    Es machte mir Spaß, mit ihm zu leben, im Luxus, in seiner Begleitung eine andere Seite der Stadt zu entdecken, eine Seite, die sich mit einem nebenbei hingeschobenen Geldschein öffnen ließ. Was mich an ihm störte, so sehr störte, dass ich mich mehrfach bei ihm darüber

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