Frau Paula Trousseau
runter, das ist mir egal.«
Paula erstarrte und zog den Kopf ein, doch Clemens war so überrascht, dass er nichts entgegnete und nur vor sich hin grummelte.
Als Paula aus der Schule zurückkam, stand Mutter in der Küche und bat sie, die Kartoffeln abzugießen.
»Hat Clemens sie geschält?«, fragte Paula.
»Natürlich. Er hat sie aus dem Keller geholt und geschält. Und sogar aufgeräumt hat er ein wenig, aber da muss ich ihm noch einiges beibringen«, sagte ihre Mutter.
»Fährst du heute wieder nach Dresden?«
»Wozu? Was soll ich da? Ich bin keine Ärztin. Deck den Tisch.«
Beim Mittagessen sagte sie Clemens, dass er heute noch Holz hacken müsse.
»Ich will, dass du künftig die Öfen heizt. Hast du verstanden? Du hast schließlich Zeit.«
»Ich kann kein Holz hacken. Ich bin …«
»Ich weiß. Dann hack meinetwegen im Sitzen. Oder du wirst dir in diesem Haus den Arsch abfrieren. Wir sind nicht deine Bediensteten. Du wirst dich ab sofort an der Hausarbeit beteiligen oder dein blaues Wunder erleben. Und du, Paula, machst zuerst deine Schulaufgaben, und dann kommst du zu mir. Wir haben noch einiges zu tun.«
Eine Stunde später erschien Paula wieder und sagte, sie habe die Arbeiten für die Schule erledigt.
»Kommst du zurecht?«, fragte die Mutter, »ich kann dir dabei nicht helfen, ich bin zu dumm. Und Clemens schon gar nicht. Tut mir leid, Kind. So, und nun bring den Müll in die Tonne. Und nimm die Flaschen mit.«
»Glasflaschen soll man in die Annahmestelle bringen. Ich kann sie am Freitag wegbringen, dann haben die geöffnet.«
»Ach was. Die Flaschen fliegen gleich aus dem Haus. Wickle sie in Zeitungspapier und wirf sie in die Tonne.«
»Aber die sind noch halb voll.«
»Jaja. Wickle sie ein und dann ab damit. Ich will das Zeug nicht länger im Haus haben. Und wenn du das erledigt hast, dann hast du für heute frei, Kind.«
In wenigen Tagen hatte sich für Paula viel verändert. Clemens war immer noch schlecht gelaunt, aber seit der Vater im Krankenhaus war, fluchte er seltener. Und Mutter trank nicht mehr, keinen einzigen Tropfen, wie Paula feststellte, und das war für sie das Schönste. Sie ging jetzt gern nach Hause, sie hatte keine Angst mehr, an der Wohnungstür zu klingeln, und wagte es sogar, ihre Freundin Kathi mit nach Hause zu bringen. Wenn sich jetzt die Tür öffnete, schreckte sie nicht zusammen. Mutter strich ihr manchmal sogar über den Kopf, das hatte Paula noch nie erlebt.
Die Nachrichten aus Dresden waren spärlich, die Ärzte blieben skeptisch, der Patient zeige keine erkennbaren Fortschritte. Eine Woche nach der zweiten Operation hieß es, ein zusätzlicher Eingriff sei erforderlich, man werde eine dritte Operation vornehmen, diese aber nur mit einer Teilanästhesie machen können, da eine weitere Vollnarkose eine zu große Belastung für den Patienten wäre. Man werde ihn noch drei Tage beobachten, bevor die endgültige Entscheidung falle. Die Mutter informierte Clemens und Paula beim Abendbrot über den Anruf. Sie sprach ganz ruhig darüber, und dann sagte sie, dass sie umräumen müssten.
»Vater wird wohl bettlägerig bleiben, damit müssen wir uns abfinden. Ich denke, wir werden ihm sein Bett in dein Zimmer stellen, Paula, dann haben wir ihn von der Küche und vom Wohnzimmer aus im Blick, und er muss über keine Stufe geschoben werden, falls er noch allein auf die Toilette gehen kann. Und du ziehst nach oben, in das Zimmer neben Clemens. Die Schränke kommen auf den Flur oder in Vaters neues Zimmer. Ihn wird es ja nicht stören, wenn das Zimmer vollgestellt ist. Seid ihr damit einverstanden?«
Clemens erhob keine Einwände, und Paula nickteheftig, sie freute sich darauf, oben wohnen zu können, in dem Zimmer, in dem sie als Kind gespielt hatte. Nachdem ihr Bruder aus dem Zimmer gehumpelt war, sah Paula ihre Mutter an und sagte: »Du bist richtig hübsch, Mama.«
»Was redest du für einen Unsinn«, erwiderte ihre Mutter kopfschüttelnd. Dann beugte sie sich zu der Tochter und küsste sie auf die Wange.
Am folgenden Mittwoch fuhr die Mutter nach Dresden. Die dritte Operation war gut verlaufen, wie ihr am Telefon erklärt worden war, und der Vater war bereits am Montagabend von der Intensivstation ins Krankenzimmer zurückverlegt worden, doch Mutter hatte gesagt, dass sie erst Mittwochnachmittag kommen könne, am Dienstag habe sie die zweite Schicht, sie könne nicht schon wieder fehlen.
Sie kam erst nach elf Uhr abends aus Dresden zurück. Paula lag bereits im
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