Frau Paula Trousseau
Auto. Die anderen beiden würde ich am Tag vor der Ausstellungseröffnung selbst mit der Bahn nach Altenburg bringen, so konnte ich sie mir noch drei Tage ansehen und vielleicht ein paar zusätzliche Tupfer und Lichter setzen.
Bevor wir die letzten Bilder im Auto verstauten, wies Stephanie auf ein großes verpacktes Bild neben der Flurgarderobe: »Und was ist damit? Geht das auch mit?«
»Nein«, sagte ich rasch, »das ist lediglich ein Rahmen und eine leere Leinwand. Ich habe es erst grundiert.«
Sie schaute mich überrascht an, ich war wohl rot geworden.
In der Verpackung steckte mein weißes Bild. Ich hatte es zwei Wochen zuvor aus dem Bretterverschlag auf dem Dachboden hervorgeholt und in den Flur gestellt. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, es in der Ausstellung zu präsentieren. Wann immer ich an dem verpackten Bild vorbeilief, dachte ich darüber nach. Ich wusste nicht, was Stephanie Mebus dazu sagen würde, ich kannte sie zu wenig. Ich wusste, sie schätzte Waldschmidt, vielleicht hatte sie den gleichen Geschmack und ähnliche Ansichten wie er, vielleicht wäre sie auch empört, würde mich beschimpfen. Ich war unschlüssig, ich wollte das Bild unbedingt der Öffentlichkeit vorstellen, aber ich durfte meine Ausstellung nicht gefährden.
Ein schlechtes Zeichen, Paula, sagte ich mir, du verlierst den Mut. Oder, noch schlimmer, du wirst vernünftig.
Jan rief jeden Tag zweimal an. Wenn ich sicher war, dass er der Anrufer sein musste, ließ ich es klingeln und nahm den Hörer nicht ab. Nachts zog ich den Stecker raus. Ich konnte nicht mit ihm sprechen, ich war schwanger, ich hatte an mein Kind zu denken, ich durfte mich nicht aufregen.
Am zweiundzwanzigsten September fuhr ich mit der Bahn nach Altenburg. Als Gepäck hatte ich neben der Reisetasche die beiden Bilder, die ich Stephanie nicht mitgegeben hatte. Sie waren nicht allzu groß, es machte keine Mühe, sie zu transportieren. Die weiße Landschaft hatte ich, zwei Stunden bevor ich losfuhr, wieder in den Bodenverschlag eingeschlossen. Ich hatte das Bild nicht einmal ausgepackt, das wollte ich mir nicht antun.
4.
Die drei Tage in Altenburg waren sehr schön. Stephanie kümmerte sich um mich, hatte aber so viel um die Ohren, dass ich genügend Zeit hatte, um allein durch die Stadt zu laufen und das Schloss und das Renaissancerathaus anzuschauen. Stephanie hatte die Hängung der Bilder präzise vorbereitet. Sie sagte, sie habe mir nur einen Vorschlag machen wollen, als sie mich in die Ausstellungsräume begleitete. Sie hatte sogar den Platz für die zwei Bilder schon bestimmt, die ich mitgebracht hatte. Ich ging eine Stunde allein durch die Räume, ich genoss es, meine Bilder endlich wieder einmal mit ausreichender Distanz zu sehen. Von der Hochschule her war ich an große Räume mit hohen hellen Wänden gewöhnt, auf denen sich ein Bild entfalten konnte. In meiner Wohnung war alles verstellt, es gab keinen Abstand zwischen mir und meinen Bildern, ich konnte sie dadurch nicht wirklich sehen, es fehlte dieLuft, um sie betrachten zu können, der Raum, damit sie aufblühten. Die Galerieräume waren nicht riesig, aber groß genug für meine Arbeiten, ich war zufrieden. Und ich war auch mit der Hängung einverstanden, es musste nichts geändert werden. Als ich es Stephanie sagte, merkte ich an ihrer Reaktion, dass sie nichts anderes erwartet hatte, dass sie jede Veränderung von mir als unberechtigte Kritik empfunden hätte.
Bernd Riecker traf zwanzig Minuten nach sieben in der Galerie ein, also zwanzig Minuten nach Beginn der Vernissage. Stephanie war völlig aufgelöst, weil inzwischen der Museumsdirektor und der Stadtrat für Kultur anwesend waren und ihr gesagt hatten, sie hätten nur eine halbe Stunde Zeit. Sie stellte Riecker die Ehrengäste vor und bat ihn dann an das kleine Stehpult. Seine Rede dauerte sehr lange, jedenfalls kam es mir so vor. Die Leute wollten meine Bilder sehen oder den von der Galerie spendierten Rotwein trinken oder einfach an einem kleinen Ereignis in ihrer ereignislosen Stadt teilhaben, aber sie wollten gewiss nicht zwanzig Minuten lang den Ausführungen eines Kunsttheoretikers lauschen. Ich bemerkte, dass die in meiner Nähe Stehenden Riecker kaum zuhörten. Zudem ging es in seiner Rede nicht um mich und meine Bilder, er sprach eigentlich über sich, seine Theorien und seine Kämpfe. Zum Schluss gratulierte er mir und übergab mir das Wort. Da ich nichts sagen wollte, forderte er die Besucher auf, meine Bilder zu kaufen,
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