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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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solange sie noch so preiswert zu haben seien. Er habe sich eins meiner Bilder reservieren lassen, das sei seine Altersvorsorge, denn es werde in dreißig Jahren ein Vermögen wert sein.
    Stephanie war rundum zufrieden. Dass sie Riecker für die Eröffnungsrede gewonnen hatte, war ein Glücksfall, und dass die Rede zu lang gewesen war und die Leuteermüdet hatte, schien sie nicht bemerkt zu haben. Riecker war prominent, und er galt zudem als kritisch und überaus mutig, mit ihm konnte ihre Galerie nur Pluspunkte einsammeln, bei der Stadt und den Behörden ebenso wie bei den Künstlern und den Leuten der Szene. Als Stephanie nach ihm die Ausstellung offiziell eröffnete, bedankte sie sich mehrmals bei ihm.
    Zwei der Besucher, junge Leute, kamen zu mir und fragten, wo ich studiert habe. Dann erzählten sie mir, dass sie seit Jahren Malunterricht an der Abendschule hätten, und erkundigten sich, wie man auf die Kunsthochschule käme. Die anderen Leute streiften mich gelegentlich mit einem Blick, sprachen mich aber nicht an. Einige schauten sich die Bilder an, doch die meisten redeten miteinander, tranken Wein und versuchten, ein paar der kleinen Semmeln und Salzbrezeln zu erobern. Als Stephanie mir sagte, dass Riecker gleich gehen werde, weil er noch heute Abend in Dresden auftreten müsse, ging ich zu ihm, um mich zu bedanken.
    »Hat dir meine Rede gefallen?«, fragte er.
    »Ja«, log ich, »und ich hoffe, ich bekomme von Stephanie das Manuskript der Rede, um sie noch einmal in Ruhe lesen zu können.«
    Er nickte gönnerhaft.
    »Welches Bild von mir willst du dir kaufen?«, erkundigte ich mich.
    »Kaufen?«, fragte er irritiert.
    »Du hast gesagt, dass du dir ein Bild reservieren lässt.«
    »Ach so. Dein Selbstbildnis, den Akt, habe ich bei Stephanie bestellt. Aber das Bild kaufe ich nicht. Ich kaufe keine Zeitgenossen. Kaufen würde ich eine Zeichnung von Rembrandt oder einen Rubens. Allenfalls einen Picasso. Die Zeitgenossen lasse ich mir schenken. Der Aktist mein Bonus. Hatte dir Stephanie das nicht gesagt? Wenn ich eine Ausstellung eröffne, bekomme ich immer einen solchen Bonus, jedenfalls wenn ich mich für den Nachwuchs einsetzen muss.«
    »Gefallen dir denn meine Bilder?«
    »Du wirst deinen Weg finden, Paula«, sagte er schließlich statt einer Antwort, »ich habe dir heute etwas Starthilfe gegeben, wenn du keine Dummheiten machst, müsstest du es schaffen. Und nun entschuldige mich, ich muss nach Dresden, zum alten Heiserbeck. Er will mich als seinen Nachlassverwalter einsetzen.«
    Ich brachte es fertig, zu lächeln und zu lächeln und mich nochmals bei ihm zu bedanken. Um acht Uhr, zehn Minuten nach der Beendigung seiner Rede, verließ Riecker die Galerie in Begleitung eines blonden Mädchens, das trotz der herbstlichen Kühle extrem dünn angezogen war.
    Ich hatte nicht bemerkt, dass er mit dem Mädchen gekommen war. Als ich mich bei Stephanie nach ihr erkundigte und fragte, ob sie Rieckers Freundin sei, lächelte sie und sagte: »Das war Musch. Sie kommt zu jeder Vernissage und ist bei jeder Premiere zu sehen. Musch ist ein Talent ganz besonderer Art. Wann immer die Lokalseite ein Foto über eine unserer Veranstaltungen druckt, unsere Musch ist stets auf dem Bild zu sehen.«
    Um halb neun tauchte Jan in der Galerie auf. Die Leute erkannten ihn und drehten sich nach ihm um. Stephanie eilte auf ihn zu, sprach mit ihm und wollte mich vorstellen.
    »Wir kennen uns«, sagte Jan.
    Ich reichte ihm die Hand zur Begrüßung, er nahm sie, um mir einen Handkuss zu geben.
    »Freust du dich, mich zu sehen?«, fragte er.
    »Natürlich«, sagte ich.
    »Das klingt nicht sehr begeistert.«
    »Ich sage auch nicht, dass ich begeistert bin.«
    »Ich wollte deine neuen Arbeiten sehen, Paula. Den weiten Weg aus Berlin bin ich gekommen, um deine Bilder zu sehen.«
    »Danke, das freut mich. Schau sie dir an.«
    »Und ich wollte dich danach zum Essen einladen. Um die Ausstellung zu feiern. Um dich zu feiern.«
    »Ich bin schon verabredet, tut mir leid.«
    »Aber Herr Hofmann ist selbstverständlich zu unserem Essen eingeladen«, sagte Stephanie, die Jan die ganze Zeit angestrahlt hatte, »ich wusste gar nicht, dass unsere Paula solch berühmte Bekannte hat. Wie gesagt, es wäre für uns eine Ehre, Herr Hofmann, wenn Sie zum Essen bleiben könnten.«
    »Danke für die Blumen. Die Einladung nehme ich gern an. Hat Paula nichts erzählt von mir? Nun ja, ich bin halt ihre heimliche Liebe, von der niemand nichts weiß. So, und nun will

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