Frau Paula Trousseau
ich mir die Bilder ansehen. Die meisten kenne ich ja.«
Er nickte uns zu und ging zu einem der Bilder. Ich konnte ihm ansehen, wie er es genoss, der Star des Abends zu sein und alle Blicke auf sich zu ziehen. Auch Stephanie sah ihm nach.
»Warum hast du mir nicht gesagt, dass Jan Hofmann kommt?«, fragte sie.
»Ich wusste es nicht.«
»Seid ihr ein Paar?«
»Nein. Nur befreundet.«
»Aber ich glaube, er würde gern mehr als nur befreundet sein. Oder täusche ich mich?«
»Da ist nichts, Stephanie. Überhaupt nichts.«
»Schade. Ihr beide wäret ein Traumpaar.«
»Um Himmels willen, Stephanie.«
Beim gemeinsamen Abendessen waren wir zu sechst.Außer Stephanie, Jan und mir saßen noch zwei Mitarbeiterinnen der Galerie und der Direktor des Museums am Tisch. Ich wurde neben Jan platziert, musste mich aber kaum mit ihm unterhalten, da die anderen den berühmten Filmschauspieler mit Beschlag belegten. Wenn Jan nicht gelegentlich ein Wort zu mir gesagt hätte, hätte ich vom Tisch verschwinden können, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre.
Jan fragte, wo denn mein Maler sei, wieso er nicht zu meiner Ausstellung gekommen sei. Ich brauchte eine Sekunde, bevor ich begriff, dass er von meinem Phantom redete. Ich erwiderte, er habe in Prag selber eine Ausstellung.
»Bist du nur darum gekommen?«, fragte ich ihn leise.
»Nein. Weil ich dich liebe«, sagte er. Dann fügte er hinzu: »Und weil es mir schlecht geht. Verteufelt schlecht, Paula.«
Ich hatte keinen Appetit und bestellte lediglich eine Suppe. Nach dem ersten Löffel wurde mir plötzlich übel, und ich musste rasch auf die Toilette, wo ich zehn Minuten blieb, bis die Übelkeit nachließ. Eine von Stephanies Mitarbeiterinnen kam mir nach und fragte, ob sie helfen könne. An den Tisch zurückgekehrt, meinte Jan, ich hätte wohl zu viel von dem Galeriewein getrunken, und ich erwiderte scharf, dass ich den ganzen Abend nur Wasser getrunken hätte.
»Vielleicht bist du schwanger?«, meinte Stephanie. »Dann sollten wir darauf anstoßen.«
Jan sah mich überrascht an, seine Augen strahlten, und ich geriet in Panik. Geistesgegenwärtig sagte ich: »Im Gegenteil. Ich habe meine Tage, da ist mir manchmal unwohl.«
Sekunden später hingen wieder alle an Jans Lippen, und ich konnte mich beruhigt zurücklehnen. Gratulation,Paula, sagte ich zu mir, das hast du gut gemacht. Die Vorstellung, dass ausgerechnet Jan der Erste wäre, der von meiner Schwangerschaft erfährt, ließ noch nachträglich einen Schauer über meinen Körper laufen, doch war es ein angenehmer Schauer, ein Schauer der Erleichterung über ein durchstandenes Entsetzen.
Ein halbe Stunde später nutzte ich die Übelkeit als Vorwand, um mich von allen zu verabschieden und zugleich zu verhindern, dass Jan mich ins Hotel begleitet.
»Ich muss jetzt allein sein«, sagte ich, »es ist nichts. Lasst euch nicht stören.«
Ich bedankte mich bei dem Museumsdirektor und bei Stephanie nochmals, und verabredete mich mit ihr für den nächsten Vormittag.
Die Galerie verkaufte sechs Bilder von mir. Es waren alles kleinere Arbeiten, die Stephanie sehr preiswert angeboten hatte, Arbeiten, die ich weniger mochte, da sie mir viel zu lieblich schienen, die aber Stephanie in Berlin entdeckt hatte und unbedingt in der Ausstellung haben wollte.
Eins der sechs Bilder hatte Jan am Eröffnungsabend gekauft, ein Selbstporträt. Auch er habe eigentlich den Akt haben wollen, den sich Riecker hatte reservieren lassen. Stephanie und ich lachten herzlich, als sie mir davon erzählte und dann hinzufügte, ich solle nur noch Aktbilder von mir malen, die würden sich am besten verkaufen.
Von dem Verkauf der Bilder konnte ich ein halbes Jahr leben. Es war lange her, dass ich eine solche Summe auf einmal besaß, und den Bankauszug mit der Überweisung aus Altenburg heftete ich an die Küchentür, er sollte mir Mut machen. Es hat einmal geklappt, sagte ich mir, wenn ich auf den Bankzettel schaute, warum soll es nicht weiterhin klappen.
In der Presse wurde nun gelegentlich mein Nameerwähnt, wenn über den Nachwuchs und die jungen Maler geschrieben wurde. Ich galt seit der Ausstellung und besonders seit der Rede von Riecker als Talent. Das an Riecker zwangsweise verschenkte Bild war offenbar eine gute Investition.
5.
Im Dezember bekam ich einen Anruf von Gerda Heber, der Lektorin in dem Verlag, für den ich im Frühjahr ein paar Blätter für eine Sammlung europäischer Märchen gemacht hatte. Ich verabredete mich mit ihr noch
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