Frau Paula Trousseau
schien sehr angetan zu sein, sagte aber, wir müssten mit den Arbeiten in die Herstellung gehen, und auch die Cheflektorin wolle die Blätter sehen. Sie meldete uns telefonisch an, dann gingen wir mit der Mappe ein Stockwerk tiefer zu Herrn Bremstätter, dem Leiter der Ausstattung. Der Mann gefiel mir, er redete nicht über Kunst, sondern sah sich die Blätter rein technisch an, erklärte mir, welche Farben beim Druck der Vorlage entsprechen würden und wo es Probleme geben würde. Einige Zeichnungen waren ihm im Strich zu fein,ich würde vom Druck gewiss enttäuscht sein. Er sortierte umstandslos die Mappe neu, legte einige Blätter auf dem Tisch aus und machte Vorschläge für die Auswahl. Drei Aquarelle nannte er als mögliche Vorlagen für den Schutzumschlag. Mit keinem Satz, mit keinem Wort sagte er etwas zu meiner Arbeit, er lobte sie nicht, er kritisierte nichts, ihn interessierten allein die Möglichkeiten und Chancen bei der Reproduktion. Zwischendurch erschien für zehn Minuten die Cheflektorin in seinem Büro. Während sie rasch die Blätter durchging, sah sie dreimal auf ihre Armbanduhr.
»Das ist alles so hart«, sagte sie, »geradezu brutal.«
Der Ausstattungsleiter lächelte herablassend und ironisch, sagte aber nichts. Gerda Heber versuchte wortreich, meine Arbeiten zu verteidigen. Ihre Chefin unterbrach sie jedoch, zeigte auf ein Blatt und sagte zu mir: »Das hier ist es. In dieser Manier, so stelle ich mir das Buch vor. Sie schaffen das schon.«
Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ grußlos das Zimmer.
»Und nun?«, fragte ich entgeistert. Ich wusste nicht, ob meine Arbeiten akzeptiert oder abgelehnt worden waren, ob ich alles noch einmal machen müsste.
Herr Bremstätter legte beruhigend eine Hand auf meine.
»Machen Sie sich keine Sorgen, das kläre ich mit Isolde. Das kläre ich auf meine Art. Diese fünf Blätter möchte ich hierbehalten, damit wir mit der Arbeit beginnen können. Ihr müsst euch nur entscheiden, welchen Titel wir nehmen. Ich denke, dieses hier, Reiter mit Pferd, das passt. Es sind schöne Farben, und ich finde Platz für die Titelei. Oder gibt es Einwände?«
Gerda Heber und ich waren einverstanden.
»Sie haben eine gute Arbeit abgeliefert«, fuhr er fort,»machen Sie sich um Isolde keine Gedanken. Unsere gute Isolde hat immer Einwände, so ist sie nun mal, wir kennen sie nicht anders. In ein paar Wochen bekommt sie meinen Umschlagentwurf in der Programmkonferenz zu sehen, und sie wird hingerissen sein, das garantiere ich.«
Es hatte keine Begeisterungsstürme im Haus gegeben und die Cheflektorin war nicht zufrieden, aber ich fuhr beruhigt nach Hause. Der kleine Mensch in mir schien sich auch zu freuen, vielleicht hatten ihn meine Ängste aufgeregt, jedenfalls klopfte er jetzt ganz vorsichtig bei mir an, und ich sendete beruhigende Klopfzeichen zurück.
Kathi sah ich ab und zu. Ihr gefiel es, dass mein Kind keinen Vater haben würde. Wir beide schaukeln das Kind schon, sagte sie. Mehrmals in der Woche rief sie an, um zu fragen, ob sie mir helfen könne. Sie war ganz verliebt in meinen Bauch. Sie schaute auf die dicke Tonne, die ich vor mir herschob, und war nur mühsam davon abzuhalten, ihre Hand auf meinen Bauch zu legen. Eines Nachts rief sie an – ich hatte bereits geschlafen und fürchtete schon, es wäre Jan, der wieder anfangen würde, mich zu behelligen – und teilte mir mit, sie habe sich entschlossen, es genauso wie ich zu machen. Sie würde sich einen Kerl angeln, mit ihm herummachen und ihn, sobald sie schwanger sei, verabschieden. Ich lachte und riet ihr, sie solle sich damit Zeit lassen.
Am neunten April starb Sibylle, die Patin meines Kindes. Ich hatte sie im März noch zweimal in Buch besucht, es schien ihr besser zu gehen, man hatte die schweren Tabletten abgesetzt und sie hatte wieder so schön ausgesehen wie früher. Auch ihre Haare waren nachgewachsen, sie hatte nun eine Art Kurzhaarschnitt, eine Igelfrisur, über die wir uns beide königlich amüsierten. Es sei praktisch, meinte sie, und wir überlegten, ob ich mir nichtauch die Haare auf zwei, drei Zentimeter Länge scheren lassen sollte. Sibylle tastete meinen Kopf ab, und meinte, ich würde damit toll aussehen, sie würde sich augenblicklich in mich verlieben und Marco verlassen. Als ich sie das letzte Mal sah und mich schon verabschiedet hatte, sagte sie: »Ich freu mich auf dein Kind, Paula. Das will ich noch sehen. Das will ich noch groß werden sehen.«
Als Marco abends
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