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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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Gute-Nacht-Geschichten. Es wird ein großartiges Buch. Ich denke, Bremstätter wird begeistert sein, und wenn er dafür ist, haben wir gewonnen. Ich gratuliere Ihnen.«
    Sie umarmte mich und mir schossen Tränen in die Augen. Ich musste mich hinsetzen. Gerda Heber redete eine halbe Stunde über meine Blätter, ich bemühte mich, ihr zuzuhören, aber ich war so erleichtert und erschöpft, dass ich hinterher nichts mehr von dem wusste, was sie mir gesagt hatte. Die Mappe nahm sie in den Verlag mit. Sie versprach, sich umgehend zu melden, sobald ihre Chefin und Bremstätter die Blätter gesehen und sich dazu geäußert hätten.
    Elf Stunden später setzten die Wehen ein. Gleich nach der ersten Wehe nahm ich meinen gepackten Koffer und machte mich auf den Weg in die Charité. Ich wollte die gesamte Strecke zu Fuß zurücklegen, eine Bekannte hatte mir erzählt, eine solche Anstrengung unmittelbar vor der Geburt sei hilfreich, es würde die Muskeln aktivieren. Wenn eine Wehe kam, setzte ich mich auf meinen Koffer und versuchte, sie wegzuatmen, brauchte aber danach einige Minuten, um mich so weit zu erholen, dass ich mich und den Koffer weiter durch die Stadt schleppen konnte. Als ich die Charité bereits sah, erwischte mich eine Wehe, bei der ich fast zusammenbrach.
    Um sechs Uhr morgens kam Michael auf die Welt. Er hatte dunkle Haare, wog fast viertausend Gramm und war dreiundfünfzig Zentimeter lang. Sie legten mir den kleinen Kerl auf die Brust, und als sie ihn mir wieder nehmen wollten, um die üblichen Untersuchungen und Tests durchzuführen, wollte ich ihn nicht hergeben. Ich blieb fünf Tage in der Klinik. Außer Kathi besuchte mich niemand. Zu der Frau im Nebenbett kamen jeden Tag mindestens fünf Besucher, der Mann, die Kinder, die Elternund Freunde. Sie bedauerte mich, weil ich so allein sei, und ich lachte nur. Ich war nicht mehr allein und würde es nie wieder sein.
    Als Kathi zu mir kam, zeigte ich ihr stolz meinen kleinen Jungen, und ich freute mich, weil er ihr gefiel, aber ich war erleichtert, als sie wieder gegangen war. Ich wollte mein Kind mit niemandem teilen, nicht einmal anderen Leuten zeigen. Kathi bot mir an, mich aus der Klinik abzuholen, sie wollte sogar einen Urlaubstag nehmen, aber ich sagte, ich wolle mit Michael allein nach Hause fahren, ihn allein in meine Wohnung bringen, um mit ihm die Schwelle zu seinem Zimmer zu überschreiten. Kathi verstand es, jedenfalls sagte sie das.
    Am Freitag wurden meine Papiere fertig gemacht, und eine Krankenschwester bestellte ein Taxi, sie trug auch meine Tasche bis vor die Eingangstür der Charité. Es war ein wundervoller milder Frühlingstag, als ich mit Michael auf dem Arm auf die Straße trat. So soll es sein, sagte ich zu ihm, so soll es bleiben, ich werde dich nie verlassen, du, mein Einziger.
    Im Briefkasten steckten fünf Briefe, einer war vom Verlag, ich warf die Post ungeöffnet auf den Küchentisch, ich hatte Wichtigeres zu tun. Der Kleine schlief beim Stillen immer ein, jede Mahlzeit dauerte eine Stunde, aber mir gefiel es. Ich saß mit ihm in meinem Sessel, und nichts konnte unsere Zweisamkeit stören. Manchmal klingelte das Telefon, wenn ich Michael stillte, doch ich bemerkte es gar nicht, ich nahm es erst wahr, wenn das Klingeln verstummte oder wenn der Kleine bei dem schrillen Geräusch zusammenzuckte. Ich wollte mit keinem sprechen, da ich ununterbrochen mit Michael sprach.
    Am Sonntag las ich den Brief von Gerda Heber, sie bat um einen Anruf, da sie mich telefonisch nicht erreichen könne. Ich war von ihrem Brief irritiert, da sie kein Wortüber meine Arbeit verlor und nichts über die Reaktion ihrer Chefin und des Verlages schrieb. Alles deutete darauf hin, dass es Schwierigkeiten gab, aber ich machte mir keine Sorgen, es interessierte mich nur am Rande. Am Montagvormittag rief ich sie an. Sie fragte nach dem Kind, und ich erzählte ihr, dass Michael bereits auf der Welt sei, viel früher als angenommen.
    »Und er ist wunderschön, nicht wahr?«, fragte sie.
    »Ja«, sagte ich. Ich wollte nicht über mein Kind sprechen.
    »Und wie steht es mit meiner Arbeit? Was sagte Ihre Chefin dazu?«
    »Wir sind alle sehr angetan. Ihre Arbeit hat beeindruckt, Herr Bremstätter ist begeistert. Meine Chefin möchte sich jedoch mit Ihnen unterhalten. Isolde Schubach hat ein paar Einwände, für sie sind die Arbeiten, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll …«
    »Zu brutal?«
    »Ja, so ungefähr hat sie sich ausgedrückt.«
    »Meine Bilder sind brutal.

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