Frau Paula Trousseau
einschlafen wollte. Kathi und ich waren aufgeräumt und munter, wir hatten uns so viel zu erzählen, dass wir beide ganz erstaunt Heinrich ansahen, der sich ernsthaft beklagte, wir würden ihn überhaupt nicht beachten. Ich bat ihn, in die Küche zu gehen und noch eine Weinflasche zu öffnen. Er protestierte, es sei bereits die dritte, und wir sollten endlich ins Bett gehen, doch Kathi und ich hatten dazu keine Lust. Ich schlug ihm vor, allein ins Bett zu gehen, wir würden nachkommen, er möge aber so nett sein, uns den Wein herunterzubringen. Als er aus der Tür ging, lachten wir, wir wussten selbst nicht, warum, vielleicht weil wir glücklich waren oder betrunken. Heinrich erschien mit dem Wein erst eine halbe Stunde später. Wir hatten inzwischen Wasser aus dem Leitungshahn getrunken und ihn nicht mehr erwartet. Er goss uns schweigend ein und setzte sich wieder zu uns. Irgendwann unterbrach er unser Gespräch und erkundigte sich, wie wir heuteNacht schlafen würden. Dabei schaute er uns so ernst und besorgt an, dass wir wieder nur lachen konnten.
»Was meinst du?«, erkundigte ich mich. »Ich könnte mir denken, mit geschlossenen Augen zu schlafen.«
»Du weißt, was ich meine, Paula. Schläfst du mit mir oder schläfst du mit ihr? Ihr solltet mich nicht für blöd halten.«
Ich sah Kathi an, die ihre Lippen aufeinanderpresste und Heinrich reglos und völlig gleichmütig ansah. Ihr war nichts anzumerken, nicht die kleinste Gemütsregung, allerdings lächelte sie nicht mehr.
»Wir halten dich nicht für blöd«, sagte ich, »du bist nur noch sehr jung.«
»Also«, fragte er lauernd, »was ist?«
»Geh schlafen, Heinrich. Wir kommen auch bald.«
Er sah mich beinahe zornig an, so dass ich mich hätte ausschütten können vor Lachen, doch ich warf ihm einen eisigen Blick zu und redete mit Kathi weiter. Sekunden später klirrte es. Heinrich hatte sein Weinglas umgekippt oder fallen gelassen, er war aufgestanden und besah sich den Schaden, dann ging er wortlos zur Tür und verschwand. Ich sammelte die Scherben zusammen und tupfte den verschütteten Wein mit Papier und einem Lappen auf.
»Ich hätte nicht kommen sollen«, sagte Kathi, »ich dachte mir, dass es Ärger geben wird. Und ich fürchte, der Ärger ist für dich nicht vorbei, wenn ich abgefahren bin.«
»Red keinen Unsinn, Kathi. Ich bin heilfroh, dass du da bist. Und Michael auch. Michael ist richtig glücklich, er liebt dich. Und was Heinrich anbelangt, da musst du dir nicht den Kopf zerbrechen. Entweder er kommt mit mir zurecht, mit mir und dir, oder wir finden eine andere Lösung. Die Kerle sind nicht so wichtig.«
Ich nahm mein Weinglas, stieß mit ihr an und küsste sie.
»Ich bin eifersüchtig«, sagte Kathi, »ich bin eifersüchtig auf Heinrich. Ich hatte es mir früher gar nicht vorstellen können, auf einen Mann eifersüchtig zu sein, aber bei ihm ist es so. Ich könnte vor Eifersucht platzen. Nur darum bin ich nie zu dir herausgekommen. Ich hasse ihn.«
»Du bist eifersüchtig? Worauf bist du eifersüchtig?«
»Auf alles. Auf Heinrich, auf Michael, auf dein Leben mit ihnen.«
»Ach, Kathi, da gibt es nichts, worauf du eifersüchtig sein solltest. Michael, ja, das ist schön, mit Michael bin ich glücklich. Schaff dir auch ein Kind an.«
»Das ist vorbei.«
»Was heißt vorbei. Du bist fünfunddreißig, das ist kein Alter für ein Kind. Such dir einen Kerl, der den Vater abgibt, und bevor er etwas davon erfährt, verabschiedest du ihn.«
»Ich kann keine Kinder bekommen, Paula. Es war eine Abtreibung zu viel, das haben sie mir in der Charité gesagt. Eine zu viel.«
»Ist das endgültig?«
»Endgültig, jaja. Das ist genau das richtige Wort für mich. Endgültig. Heul nicht, Paula, dafür besteht kein Grund. Ich habe ein bisschen zu lustig gelebt und muss nun bezahlen.«
»Seit wann weißt du es?«
»Themenwechsel, Paula. Die Sache ist abgehakt. Gieß mir noch ein Glas ein, und lass uns von etwas anderem reden.«
An diesem Abend haben wir nicht mehr viel miteinander geredet. Wir saßen zusammen, aneinandergelehnt, die Arme umeinandergeschlungen, tranken den Wein und schwiegen. Ich streichelte sie und schaute auf meineBilder an den Wänden. So trostlos und traurig und trüb wie in dieser Nacht waren sie mir nie erschienen. Etwas mehr Heiterkeit, meine Dame, sagte ich zu mir, aber es war wohl nicht der geeignete Zeitpunkt, um meinen Malstil zu wechseln. Als wir hochgingen, schnarchte Heinrich leise. Ich legte mich zu Kathi und
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