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Frau Paula Trousseau

Frau Paula Trousseau

Titel: Frau Paula Trousseau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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tief durch. Ich setzte mich auf eine der alten Bänke und malte mit einem kleinen abgebrochenen Ast geometrische Figuren auf den Sandweg. Ich hasste Tschäkel. Er war arrogant und überheblich. Außerdem war es eine Marotte an dieser Schule, dass sie alle davon reden, die Kunst müsse heiter sein und leicht. Wir sollten spielerischer werden, als ob alle Kunst der Welt fröhliche Stimmung zu verbreiten habe. In der Vergangenheit jedenfalls hatte es ein paar Maler gegeben, bei denen die Bilder auch noch etwas anderes ausstrahlten als unaufhörliche Lebenslust. Ich wollte nicht Tschäkel-Bilder malen, sondern Paula-Bilder, und wenn meine Farben etwas düsterer waren als die von Tschäkel, so heißt das nicht, dass meine Bilder weniger wert waren.
    Eine alte Frau lief an der Bank vorbei, sah mich an und schüttelte empört den Kopf. Ich hatte, ohne es bemerkt zu haben, begonnen, laut und fröhlich vor mich hin zu pfeifen, und verstummte, als mich der strafende Blick der schwarzgekleideten Alten traf. Ich stand auf, säuberte meinen Rock und den Anorak und ging nach Hause. Dort zeichnete ich drei Stunden ohne Pause, machte mir dann ein paar Brote in der Küche, schaute mir das Kinoprogramm in der Zeitung an und entschied schließlich, beimeiner Freundin Katharina vorbeizuschauen, die ich seit dem Sommer nicht mehr gesehen hatte.
11.
    Ich klingelte gegen sieben Uhr an Kathis Tür. Sie war nicht allein, ein junger Mann saß in ihrer Küche. Wie Kathi mir zuflüsterte, sei er kein Freund, nur ein Bekannter, der ihr den Anschluss der Waschmaschine repariert hatte und nun nicht weggehe, weil er wohl auf eine besondere Honorierung hoffe.
    »Dich schickt der Himmel«, flüsterte sie und umarmte mich, bevor sie mich in die Küche schob und mir ihren Bekannten vorstellte. Sie erzählte ihm, dass ich eine berühmte Malerin sei und gekommen wäre, weil ich Kathi porträtieren wolle.
    »Porträt?«, fragte der junge Mann, »ganz nackt oder nur den Kopf?«
    »Das werden wir sehen«, sagte Kathi und lachte, »in jedem Fall musst du jetzt gehen. Die Künstlerin will ohne Publikum arbeiten. Und nochmals danke, dass du die Maschine in Ordnung gebracht hast.«
    Der Mann trank langsam seinen Tee aus und stand auf. Er schaute die beiden Frauen an und grinste.
    »Schade«, sagte er schließlich, »ich wäre gern noch ein bisschen geblieben. Ich bin nämlich ein Kunstliebhaber.«
    »Ein Liebhaber vielleicht, aber von Kunst hast du doch keine Ahnung«, erwiderte Kathi. Sie schob ihn aus der Küche hinaus, im Flur verabschiedeten sie sich ausführlich. Offenbar wurde er zudringlich, denn meine Freundin schrie auf, lachte dann sofort wieder.
    »So ein Blödmann«, sagte sie, als sie wieder in die Küche kam. Sie setzte sich mir gegenüber, sah mich schweigendan und sagte schließlich: »Was gibt es für ein Problem, Paula? Du siehst nicht gut aus, du siehst Scheiße aus. Wie geht es deiner Tochter? Und deinem Göttergatten?«
    »Mach mir einen Tee, Kathi«, sagte ich, »und falls du so etwas im Hause hast, dann gib mir noch einen Schnaps dazu. Ich kann es wirklich gebrauchen. Irgendwie bin ich wieder einmal dabei, mich zu sortieren.«
    »Sortieren? Das heißt, es geht bei dir drunter und drüber?«
    »So ungefähr«, sagte ich und begann zu erzählen.
    Anfangs unterbrach mich Kathi gelegentlich und machte sarkastische Bemerkungen über Hans, aber als ich von Cordula berichtete und meinem Verzicht auf das Kind, sagte sie keinen Pieps mehr. Als ich alles berichtet hatte, sah sie mich nur schweigend an.
    »Ja, so ist das«, sagte ich, »und jetzt gieß mir noch einen Tee ein.«
    Sie stand auf und holte die Teekanne, dann räusperte sie sich, als ob sie etwas sagen wollte, aber sie streichelte nur meine Schulter.
    »Das ist schlimmer als ein Beinbruch, wie?«, sagte ich und sah sie aufmunternd an. Und dann fragte ich: »Kannst du mich verstehen, Kathi, oder bin ich für dich ein Monster?«
    »Natürlich verstehe ich dich. Du tust mir leid. Ich hoffe, du stehst es durch.«
    »Ich stehe es durch, da mach dir keine Sorgen. Paula steht alles durch.«
    »Ich weiß. Doch es gibt auch ein paar Dinge, die man auch dann nicht durchhält, wenn man sie übersteht.«
    Sie sah mich dabei unverwandt an, dann schüttelte sie den Kopf, als wolle sie etwas verscheuchen: »Wollen wir zusammen etwas kochen?«
    »Was hast du denn im Haus?«
    »Der Kühlschrank ist voll, ich arbeite schließlich im Warenhaus. Ach, das habe ich dir noch gar nicht erzählt, weißt du, ich

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