Frau Paula Trousseau
Unterröcke, auch im Sommer. Drei verschiedenfarbige Unterröcke.«
»Mich hat Handarbeit genervt.«
»Ja, du warst immer für das Höhere. Eine Künstlerin eben.«
»Nein, überhaupt nicht. Aber Stricken und Häkeln langweilte mich. Ich hatte schon damals nicht vor, mir Kleider zu schneidern oder dem Herrn Ehegemahl seine Hemdenknöpfe anzunähen.«
»Das wollen die aber. Kaum lerne ich einen neuen Typen kennen, bringt er mir seine Wäsche zum Flicken. Sobald die glauben, es sei eine feste Beziehung, bringen die ihre Hemden nicht mehr der Mama, sondern mir. Die erwarten das einfach.«
»Von mir nicht. Das habe ich ganz schnell geklärt, von Anfang an.«
»Das glaube ich dir gern. Du kannst dir die Typen auch aussuchen, so schön wie du bist.«
»Hör auf. Ich sehe scheiße aus, das hast du selber gesagt.«
»Das ist etwas anderes. Du hast in den letzten Monaten viel durchgemacht, aber das hat nichts damit zu tun, dass du wunderschön bist, Paula.«
»Hör auf damit. Außerdem halte ich mich überhaupt nicht für schön. Ich bin ein viel zu blasser Typ. Mir gefällt es, wenn Frauen wie das blühende Leben ausschauen, wenn sie etwas Strahlendes haben. Eine Frau sollte bezaubern können, aber ich sehe aus wie ein halb erfrorenes Vögelchen.«
»Das ist nicht wahr. Du bist eine richtige Schönheit, irgendetwas geht von dir aus. Ich weiß nicht, was es ist, aber ich glaube, das bemerkt jeder.«
»Ich habe davon nichts gemerkt. Lass uns jetzt endlich schlafen, Kathi. Müde sind wir beide, und du musst früh aufstehen.«
»Ich bin überhaupt nicht müde«, sagte sie. Sie drehte sich auf den Bauch, stützte sich mit beiden Unterarmen auf und sah mich an.
Durch das Fenster fiel so viel Licht, dass ich ihr Gesicht deutlich erkennen konnte. Sie sah mich prüfend an, aber es war mir nicht unangenehm. Ich wandte den Kopf nicht ab und schloss auch nicht die Augen, sah sie einfach nur an. Es war mir sehr angenehm, dass sie mich schön fand. Es war so lange her, dass es mir jemand gesagt hatte, und ich brauchte es. Die Jungen in der Seminargruppe schauten mir nach und versuchten, sich mit mir zu verabreden, und auf der Straße bemerkte ich die Blicke der Männer, aber das zählte nicht. Was mir fehlte, warjemand, der nur einfach sagt, dass ich schön sei. Hans hat in der ersten Zeit gesagt, dass er noch nie mit einer so schönen Frau zusammen war, doch das hörte schon Monate vor der Hochzeit auf, und dann hatte er immer nur etwas an mir herumzunörgeln. Manchmal hatte es ein Mann zu mir gesagt, ein Junge in der Berufsschulzeit oder an der Hochschule, oder irgendein Mann in einem Café oder beim Tanzen, aber das bedeutete nichts. Die Männer sagen das zu jedem Mädchen, mit dem sie ins Bett wollen, sie sagen es, wie man guten Tag sagt oder wie man jemanden freundlich grüßen lässt. Für sie hat es keinerlei Bedeutung, aber für mich war es mein ganzes Leben hindurch bedeutungsvoll. Ich brauchte es.
Ich sah unverwandt in Kathis Augen. Sie verzog keine Miene, als sie sich zu mir beugte und meine Augenbraue küsste. Einen Moment zuckte ich innerlich zusammen, ich weiß nicht, ob Kathi es bemerkte, doch ich blieb ruhig liegen und wehrte sie nicht ab. Sie zog den Kopf zurück und schaute mich wieder an, dann beugte sie sich nochmals zu mir und küsste meine Nase und eine Wange.
»Du bist schön, Paula«, sagte sie. Jetzt lächelte sie mich an, und als auch ich lächelte, drehte sie sich auf den Rücken, fasste nach meiner Hand und sagte: »So, und jetzt schlafen wir endlich. Ich habe morgen einen langen Tag.«
Es tat mir gut, mit Kathi so zusammen zu liegen. Sie nervte nicht, sie belästigte mich nicht, sie war nur bei mir. Sie liebte mich als eine gute Freundin, und sie gab mir das Gefühl, schön zu sein. Schade, dass Kathi kein Mann ist, mit ihr würde ich mich sofort zusammentun.
Ich löste meine Hand vorsichtig aus der ihren, dann richtete ich mich auf, beugte mich über sie und küsste sie auf den Mund.
»Ja, schlaf gut«, sagte ich.
Sekundenlang sahen wir uns an, dann legte ich mich zurück, drehte den Kopf zur Seite und schloss die Augen.
12.
Die nächsten Seminarstunden bei Professor Tschäkel ersparte ich mir. Drei Wochen lang ließ ich mich bei ihm nicht sehen. Ich hatte Christine gebeten, mich zu entschuldigen, und, um die Sache auf die Spitze zu treiben, gesagt, dass ich Cordulas wegen nicht kommen könne. Sollte er denken, was er wollte. Während seines Unterrichts war ich sogar zweimal in der
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