Frau Paula Trousseau
bin seit drei Monaten Chefdispatcherin.«
»Gratuliere. Das ging ja rasch nach oben für dich.«
»Ein Glücksfall. Mein Vorgänger hat unterschlagen und wurde erwischt. Er bekam ein halbes Jahr Gefängnis. Pech für ihn, und eine Chance für Kathi. Also, stellen wir zwei uns in die Küche? Hast du Lust?«
Sie holte für mich eine Schürze aus ihrem Wäschefach, und dann kochten wir eine Stunde lang. Ich bereitete einen Paprikasalat zu mit Käse- und Schinkenstückchen, während Kathi eine Kräutersuppe kochte, und gemeinsam machten wir anschließend einen Gemüsereis. Wir saßen in der Küche, redeten von Cordula und Hans, aber auch von Kathis Freunden und von unserer Schulzeit. An diesem Abend lachte ich so viel wie seit Jahren nicht mehr. Ich lachte, bis mir die Tränen kamen, und als ich es bemerkte, fing ich an zu heulen. Meine Freundin nahm mich in den Arm, und dann heulten wir zusammen, und auch das war schön. Sie streichelte mein Haar und sagte, dass ich rechtlich die Möglichkeit habe, gegen die Entscheidung des Gerichts Einspruch zu erheben, um Cordula zugesprochen zu bekommen. Sie habe gehört, man könne das auch noch nach Jahren machen, und wenn ich mit dem Studium fertig sei und Geld verdiene, hätte Hans keinen stichhaltigen Grund mehr, das Sorgerecht für meine Tochter zu beanspruchen. Ich sagte nichts dazu, ich wollte ihr nicht erklären, dass ich nicht Cordulas wegen weine, ich hätte ihr gar nicht sagen können, wieso ich in einen Heulkrampf hineingerutscht war und mich kaum beruhigen konnte. Irgendwann lachten wir wieder und kicherten wie kleine Mädchen. Als wir auf die Uhr schauten, war es schon kurz vor Mitternacht, und Kathi erschrak, denn für sie war um halb sechs die Nacht vorbei.Sie sagte, sie müsse schnell ins Bett, sonst sei sie am nächsten Tag wie gerädert. Ich stand auf und wollte den Tisch abräumen, aber sie sagte, ich solle alles stehen und liegen lassen, sie würde morgen Abend die Küche aufräumen.
»Wenn du willst, kannst du bei mir übernachten«, sagte sie, »das ist vielleicht klüger, als jetzt durch die dunkle Stadt zu ziehen.«
Ich schaute überrascht zu ihr, sie sah unbefangen zu mir. Ich musste verschreckt gewirkt haben, denn sie lachte auf und fügte hinzu: »Keine Angst, Paula, ich fresse dich nicht.«
»Ich habe keine Angst«, sagte ich, »aber ich muss morgen früh in der Schule sein und vorher nach Hause, um meine Sachen zu holen. Außerdem, wenn du um halb sechs aufstehst, werde ich sicher wach und kann nicht mehr einschlafen.«
Ich hatte bereits meine Jacke angezogen, als ich es mir anders überlegte. Ich sah Kathi an, zog langsam die Jacke aus und sagte: »Es ist wirklich schon sehr spät. Ich denke, ich bleibe. Aber nur, wenn ich dich nicht störe.«
»Kein Problem«, sagte Kathi, »ich beziehe nur rasch eine Bettdecke für dich. Wenn du noch duschen willst, kannst du das inzwischen in der Küche machen. Du kennst dich ja aus.«
»Hast du auch ein Nachthemd für mich?«
»Sicher. Was bevorzugst du, knapp und sexy oder Baumwolle knöchellang? Du kannst es dir heraussuchen. Du findest sie hier im Schrank, zweites Fach.«
Während Kathi die Betten machte, wusch ich mich rasch in der Küche und zog mir ein geblümtes Nachthemd über, das noch von ihrer Oma stammte. Als Kathi mich in dem bodenlangen Nachthemd sah, zuckten ihre Mundwinkel. Einen Moment lang ärgerte ich mich, dass ich keins ihrer kurzen Hemden genommen hatte, sie solltenicht denken, ich hätte Angst oder sei verklemmt. Doch dann sagte ich mir, dass ich auch sonst lieber in einem warmen Nachthemd schlafe und nicht ausgerechnet bei ihr einen winzigen Perlon-Fummel anziehen werde. Sie hatte ohnehin mit dem ersten Blick gesehen, wie es um mich stand, ihr konnte ich nichts weismachen.
»Müde?«, fragte Katharina, als sie ins Bett kam.
»Ja, sehr«, sagte ich.
»Ich auch«, erwiderte sie, »schlaf gut.«
Wir lagen stumm nebeneinander, sie atmete ganz ruhig, und ich glaubte schon, sie sei eingeschlafen, als sie mich fragte: »Woran denkst du? An Cordula?«
»Nein. An nichts. Ich denke an nichts.«
»Denk an was Schönes, Paula. An Frau Kaminski zum Beispiel. Weißt du noch, ein halbes Jahr lang haben wir bei der Topflappen häkeln müssen und Knopflöcher säumen. Die war komisch, die Alte. Sie war die einzige Lehrerin, die uns alle geliebt hat.«
»Ja, aber die war auch keine Lehrerin, keine richtige. Die unterrichtete nur Handarbeit an der Schule.«
»Und trug immerzu drei
Weitere Kostenlose Bücher