Frau Paula Trousseau
interessierte, prallte von ihm ab. Und wofür er sich begeisterte, das verfolgte er ohne Hemmungen, und er wurde zu einem richtigen Mistkerl, wenn es galt, das zu erreichen, was er wollte. Er war von sich überzeugt und von allem, was er sich vornahm, während es nichts gab, was ich nicht irgendwann hoffnungsvoll begann und an dem ich dann doch irgendwann kleinmütig und unsicher zweifelte. Mir fehlte seine Entschlusskraft, und ich liebte ihn für all das, was er überreichlich besaß und ich nicht hatte.
Am nächsten Morgen ging Waldschmidt mit keinem Wort auf den vergangenen Abend ein. Wir frühstückten zusammen und dann fuhr er in die Hochschule, ich musste erst um zehn dort erscheinen und wollte das Fahrrad nehmen. Ich begleitete ihn zum Auto. Als er im Wagen saß, reichte ich ihm meinen großen Zeichenblock, den er für mich mitnehmen sollte. Er legte ihn auf die hinteren Sitze und sah mich an. Er sagte nichts, er schaute ernst und schien mein Gesicht erforschen zu wollen, meine Augen. Schließlich strich er mit dem Zeigefinger über meine Nase und sagte: »Ich fürchte, du wirst mir Kummer machen, Kleine. Ich bin gerade dabei, mich in dich zu verlieben, und ich habe das Gefühl, dass du soeben dabei bist, mich zu verlassen. Oder dich von mir zu entfernen.«
Ich lachte, schüttelte den Kopf und wollte etwas erwidern, doch er unterbrach mich: »Sag nichts, Paula, bitte. Wenn du gehen willst, werde ich dich nicht halten können, das weiß ich. Rücksicht nimmst du sowieso nicht. Und das ist auch gut so, das ist deine Kraft. Aber bitte belüge mich nicht.«
»Ich verstehe überhaupt nicht, wovon du redest. Ich habe nicht vor, hier auszuziehen. Ganz im Gegenteil, Freddy, ich werde dich irgendwann zum Standesamt schleppen, ob es dir passt oder nicht.«
Er verzog keine Miene, er lächelte nicht, er schaute mich nur eindringlich an, schloss die Wagentür und fuhr los. Ich nahm die Zeitung aus dem Kasten und ging ins Haus zurück. Ich brühte mir einen neuen Kaffee auf und blätterte die Zeitung durch, dann holte ich mir ein Buch und las ein paar Seiten am Küchentisch, das Geschirr hatte ich nur beiseitegeschoben. Um neun erschien Frau Mosbach, und ich ging in mein Zimmer und packte die Sachen für die Schule ein.
5.
Bis zu den Semesterferien Anfang Juli konnte ich an meinem weißen Bild nicht weiterarbeiten, da ich in diesen vier Wochen all meine Arbeiten in sämtlichen Fächern zu einem Ende bringen und zwei Klausuren schreiben musste. Sogar bei den Skizzen für das weiße Bild kam ich nicht voran, in den letzten Semesterwochen entstand nicht der kleinste Strich, dafür konnte ich alle Fächer des Studienjahrs gut abschließen. Meine Noten in Malerei, Grafik, Kunstgeschichte und im figürlichen Zeichnen waren besser als in den Jahren zuvor.
Ende Juni rief Sibylle an. Ich war sehr verlegen unddeshalb schnippisch, was immer passiert, wenn ich nicht weiß, was ich sagen soll, oder überfordert bin. Sibylle war sehr aufgeräumt und freundlich. Sie fragte, ob ich mit ihr in eine Premiere ins Berliner Ensemble gehen wolle, der letzten in der Spielzeit, und ich sagte, dass ich mitten in den Prüfungen stecke und ich viel zu nervös sei, um drei Stunden in einem Theatersessel ruhig sitzen zu können. Ich wollte mich nicht mit ihr treffen, ich hatte Angst vor ihr. Oder vor mir.
»Schade«, sagte Sibylle, »denn am Tag darauf fahre ich mit meinem Pariani in unser Landhaus. Da bleibe ich den ganzen Sommer über und wühle Tag für Tag im Garten. Aber vielleicht besuchst du uns dort. Was hältst du davon, wenn ihr, du und Waldschmidt, einmal zu uns rauskommt? Ihr könnt bei uns übernachten, das Haus ist riesig, wir haben dort vier Schlafzimmer. Waldschmidt kennt es, er besucht uns fast jeden Sommer dort.«
»Ja«, sagte ich, »das ist eine gute Idee. Ich werde mit ihm sprechen.«
»Wenn du willst, kannst du auch allein kommen. Jederzeit. Aber ich denke, das weißt du.«
»Waldschmidt muss noch vier Wochen in Berlin bleiben, wegen der Schule, und er hat drei Ausstellungen vorzubereiten, zwei eigene und die große Marstall-Ausstellung. Da will ich ihn nicht allein lassen. Und danach wollen wir für drei Wochen nach Jugoslawien fahren.«
»Jugoslawien? Das ist sehr schön. Da waren wir im vorigen Jahr. Drei Wochen Adria, drei Wochen Sonnenschein, wunderschön. Wir waren in Sali, das ist auf einer dieser Inseln. Ein Gedicht, sage ich dir. Wohin fahrt ihr?«
»Ich bin mir nicht sicher. Waldschmidt hat das alles
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