Frau Paula Trousseau
küsste mir die Hand und verschwand in sein Arbeitszimmer.
»Weiß er es? Ahnt er es?«, fragte ich Sibylle.
»Ich glaube nicht«, sagte sie unbekümmert.
»Du hattest gesagt, er würde spät nach Hause kommen. Er hätte uns beinahe …«
»Ja, und? Dann wäre das geklärt. Pariani und ich, wir lieben uns, aber er ist nicht mein Eigentum, und ich bin nicht sein Eigentum. Und er ist gottlob kein Spießer. Er würde gewiss alles von uns wissen wollen. Weißt du, er würde sicher gern dabei zusehen wollen. So wie ich ihn kenne, würde ihm das sehr gefallen. Ein paar Wünsche und Sehnsüchte hat mein Pariani noch immer, so alt und erfahren er ist.«
»Ich muss jetzt wirklich gehen, Sibylle.«
»Sei nicht so verschreckt, Paula. Was war denn daran so fürchterlich, was ich gesagt habe?«
»Nichts. Wieso denn? Aber ich muss gehen.«
Ich stand auf und streckte ihr zum Abschied die Hand entgegen. Sie kam auf mich zu, schob den Arm beiseite und umarmte mich.
»Wir bleiben Freundinnen?«, fragte sie.
Ich nickte, hauchte ihr einen Kuss auf die Wange und entzog mich ihren Armen.
»Grüß deinen Mann von mir. Ich will ihn jetzt nicht stören.«
4.
An diesem Abend konnte ich nicht mehr arbeiten. Ich saß zwar noch lange im Atelier, aber strichelte nur kleine Figuren auf den Block. Einmal entstand eine Zeichnung, ein weiblicher Rückenakt, doch als ich bemerkte, dass ich begonnen hatte, Sibylle zu skizzieren, zerriss ich das Blatt in tausend Fetzen und stopfte die Schnipsel in den Papierkorb.
Waldschmidt kam gegen zehn Uhr nach Hause, er hatte eine Sitzung in der Schule gehabt, schimpfte im Wohnzimmer vor sich hin und war für eine halbe Stunde unansprechbar. Ich setzte mich zu ihm, aber da er nur auf den Fernseher starrte, ein großes Glas in sich hineinschüttete und vor sich hin brabbelte, ging ich ins Atelier zurück. Als ich wieder ins Wohnzimmer kam, hatte er sich beruhigt, bot mir ein Glas an, wollte aber nicht mit mir über die Sitzung sprechen. Er fragte, was ich den Tag über getrieben hätte, und ich erzählte ihm von meinem Besuch bei Parianis und richtete ihm die aufgetragenen Grüße aus.
»Eine schöne Frau, die Sibylle«, sagte er, »ich habe sie schon dreimal gebeten, mir Modell zu sitzen, aber sie will nicht. Sie will sich nicht ausziehen. Diese verklemmten Weiber! Sprich du einmal mit ihr, vielleicht kannst du sie überreden, mir Modell zu sitzen. Oder sie sitzt für dich. Was hältst du davon? Dieses Weib hat irgendwas. Vielleicht ist es auch der Pariani, der das nicht will, vielleicht verbietet er es ihr. Wenn man ihm zuhört, ist er ein ausgekochtes Schlitzohr, aber vielleicht ist er in Wahrheit verspießert bis in die Knochen. Ich habe das alles schon erlebt.«
Als er zehn Minuten später nochmals davon anfing, Sibylle als Modell gewinnen zu wollen, sagte ich ihm, ich könne die Leute nicht überreden, für ihn zu sitzen, seineModelle müsse er sich schon selber besorgen. Er schaute mich irritiert an und erkundigte sich, weshalb ich so grantig sei. Ich entschuldigte mich, setzte mich zu ihm auf das Sofa und spielte das anschmiegsame Kätzchen. Als er seine Hand in meine Hose schob, wehrte ich mich, doch Sekunden später ermunterte ich ihn und zog, noch auf dem Sofa sitzend, meine Hose aus und warf sie vor den Kamin. Waldschmidt steckte seine linke Hand zwischen meine Schenkel und streichelte mich, mit der rechten hielt er sein Weinglas, trank es aus, füllte es erneut, ohne die andere Hand wegzunehmen. Dann leckte er meine Ohren und meinen Hals ab, was er immer tat, wenn er mit mir schlafen wollte. Und das wollte ich auch. Ich wollte nach dem Nachmittag mit Sibylle mit ihm ins Bett, ich wollte das Beisammensein mit ihr loswerden, auslöschen. Ich wollte mit Waldschmidt schlafen, um diesen anderen Körper, um diese Frau auszutilgen, die sich in meine Haut gebrannt hatte.
Ich streichelte Waldschmidt behutsam, seine Brust, seinen Bauch. Ich nahm seine Brustwarzen zwischen die Lippen, was ihn stets erregte, und brachte ihn dazu, das halbgeleerte Glas stehen zu lassen und mich zum Bett zu tragen. Wir zogen uns aus, und dann verspürte ich einen Krampf in meinem Bauch, entschuldigte mich, rannte ins Bad und setzte mich auf die Toilette. Ich hoffte inbrünstig, Waldschmidt würde zärtlich zu mir sein, würde mich wie der aufmerksamste Liebhaber erregen, um mich dann ungestüm zu nehmen und zu lieben. Ich wollte mich von Sibylle freimachen. Und ich fürchtete, es würde mir nicht gelingen, ich
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