Frau Schick macht blau
Szenen aus Spiel mir das Lied vom Tod nachstellt.«
»Nicht?«
Ricarda setzt sich entschlossen und bemerkenswert elegant in ihrem Clubsessel auf. »Ganz sicher nicht! Ich habe heute Morgen die Pressesprecherin einfach mal privat angerufen. Sie hat mir versichert, dass die Friseurinnung mit ihrer bisherigen Werbung höchst zufrieden und das Budget erschöpft ist. So, und jetzt weißt du, warum ich heute Abend hier und so nervös bin!«
Nelly will wie ein Springteufel nach oben schnellen – schafft aber nur einen bescheidenen Hüpfer. Aus diesem bodentiefen Loungesofa kommt man allenfalls per Badewannenlift wieder in die Senkrechte. »Aber, was mache ich dann hier?«
»Gute Frage.« Ricarda nickt. »Wir sollten versuchen, sie zu beantworten, bevor Rottländer und der ominöse Kampagnenstar aufkreuzen. Wie wäre es, wenn du mir jetzt endlich die Wahrheit und nichts als die Wahrheit über dein Kleid und Beckys Anteil an diesem Meeting erzählst?«
Nelly windet sich. Kann Beckys seltsame Geheimniskrämerei tatsächlich der Schlüssel zur Lösung des Rätsels sein?
Ja, kann sie.
»Sag mal …«, beginnt Nelly zögernd, während Ricarda mit Pantherblick den Barraum nach Rottländer und Indizien für den Grund dieses Meetings durchjagt. »Weißt du, was Guerillamarketing ist?«
»Ach du Scheiße!«, stößt Ricarda so entsetzt aus, dass der Pianist und True lov e von Coke Porter vollends aus dem Takt geraten.
Nelly folgt Ricardas Blick zur Tür und trifft auf einen Mann, der in lässiger Bondmanier die Schwingtür aufgestoßen hat. Er trägt Smoking und löst ein kleines Blitzlichtfeuerwerk aus.
Ach du Scheiße – in der Tat.
Jetzt weiß Nelly, mit wem und für was sie Werbung machen soll, und ahnt vage, was Guerillamarketing bedeutet. Nichts Gutes. Sie ballt die Hände zu Fäusten, stemmt sie in das verflixte Loungesofa und will sich nach oben drücken.
Nichts wie weg. Der Mann im Smoking ist ihr Exmann, Jörg Barfeld, und ein Exmann, der sich aus dem Hinterhalt in ihr Leben einschleicht, bedeutet Ärger.
Von oben legen sich Hände auf ihre Schultern und drücken sie erbarmungslos in den Sitz zurück. »Du bleibst, Mama«, zischt Becky, während die Band in ihrem Rücken einen Soundcheck beginnt, die der Pianist mit Tönen von True love einleitet.
»Lass mich los!«, faucht Nelly.
Becky schüttelt den Kopf. »Hier geht es um zehntausend Euro. Deine Gage für eine knappe Stunde Arbeit! Und das ist nur der Anfang. Papa hat es versprochen, und ich finde, er schuldet dir weit mehr. Wie viel, handeln wir später mit Rottländer aus, der wollte ihn unbedingt für die neue europaweite Unterhosenkampagne von TrueLove haben. Was meinst du, warum er so freundlich zu mir war? So, und jetzt muss ich deine Wimpern nachtuschen.«
13.
Rattatong. Rattatong. Rattatong.
Gelbe Fahrbahnmarkierungen schreiben einen Schlingerkurs durch eine Straßenbaustelle und über schlecht verfugte Betonplatten vor. Richtige Stolpersteine sind das, ärgert sich Herberger. Der Jaguar schwebt nicht, er hoppelt. Dabei hat Herberger es brandeilig. Gas geben kann er trotzdem nicht, sonst hüpft der Pferdeanhänger wie ein ausgebüxtes Fohlen hinterdrein. Lästiges Ding, bockig wie Zerberus, der darin mitfährt.
Rattatong. Rattatong.
Verdammt, wo hat Frau Schick dieses windschiefe Hängermodell aus den Anfängen der Automobilherstellung nur aufgetrieben? Kurz summt frisch geteerter Fahrbahnbelag unter den Reifen, aber kaum hat Herberger auf das Gaspedal getippt, blinken neue Baustellenabsperrungen, und weiter geht es über provisorische Bodenplatten.
Rattatong, Rattatong.
Das ist das reinste Hindernisrennen. Herberger hat die Nase endgültig voll von dieser aberwitzigen Eselentführung. Sein Blick streift Niklas, der verbotenerweise neben ihm auf dem Beifahrersitz thront, in seinen Hosentaschen kramt und ihm mit einem um Entschuldigung heischenden Blick ein verklebtes Bonbon auf die Ablagefläche neben dem Schaltknüppel legt.
Der Kleine war partout nicht bereit, bei seinem Opa im Fond Platz zu nehmen. Herberger ist sein neuer Held, dabei ist dieser spillerige Knirps selbst einer. Und was für einer!
Niklas hat sich dem wutschnaubenden Zerberus nicht nur in den Weg gestellt, er hat ihn zum Stehen gebracht. Einfach so. Nicht einmal Haferflocken waren nötig, um den schwarzen Riesen zur Räson zu bringen. Nur ein Elfenblick. Kaum zu glauben, aber wahr.
Zerberus hat direkt vor Niklas angehalten, eine kurze Trabrunde um den Knirps gedreht,
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