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Frau Schick macht blau

Frau Schick macht blau

Titel: Frau Schick macht blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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am Hühnerhut geschnuppert, ihn für nicht essbar befunden und den Schädel schief gelegt. Dann hat er Niklas das Maul in den Bauch gestupst, und eine Freundschaft fürs Leben war geboren. Zumindest zwischen Niklas und Zerberus.
    Herberger, der sich mühselig aus der Pfütze hochrappeln und seine Knochen sortieren musste, hat sich beim Anlegen des Führungsseils heftige Huftritte und einen posaunenstarken Eselsfurz eingefangen. Das sich nähernde Martinshornjaulen verkomplizierte die Lage zusätzlich. Mit Mühe und Not konnte Niklas Zerberus mit den Haferflocken noch in den Hänger locken, und Herberger hat in letzter Sekunde mit quietschenden Reifen und ausbrechendem Heck einen Fluchtweg vom Parkplatz und vor dem heranjagenden Polizeiauto gefunden. Dafür und für seinen Hechtsprung in den Schlamm bekommt er jetzt wohl das Bonbon.
    »Himbeere«, sagt Niklas. »Mag ich.«
    Stalin, der auf Niklas’ Schoß liegt, auch. Er schnappt das Bonbon weg und erwischt dabei Herbergers Hand am Schaltknüppel.
    Herberger unterdrückt ein Fluchen, konzentriert sich weiter auf die blinkenden Baulaternen vor sich und die satte Finsternis im Rückspiegel. Blaulicht scheint zum Glück nicht darin auf. Dafür schaltet vor ihm eine Behelfsampel auf Rot. Auch das noch! Er muss bremsen und den Gegenverkehr abwarten. Den es hier in der Mitte von Nirgendwo überhaupt nicht gibt.
    »Das darf doch nicht wahr sein!« Herberger wirft einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. Es ist halb neun, er stinkt infernalisch nach Esel, starrt vor Dreck, und Nelly sitzt in der »Bond Bar«. Ihm bleibt nur noch eine Stunde, und wenigstens das T-Shirt muss er noch wechseln.
    Im Fond diskutiert Frau Schick mit dem Zauselbart lebhaft darüber, ob der tobsüchtige Zerberus wohl etwas Falsches gefressen hat. Die Blähungen, deren Geruch Herbergers T-Shirt entsteigt, meint Frau Schick, legen den Verdacht nahe.
    »Im Garten werden wir ihn mit Fallobst und biologisch angebauten Möhren verwöhnen. Dazu gibt es eine Wiese, die so groß ist wie ein Fußballfeld«, verspricht ihr Herr Engels. »Ich zimmere ihm gleich morgen einen Unterstand. Bauholz liegt genug herum.«
    Nervös trommelt Herberger auf dem Lenkrad herum. Die Ampel leuchtet beharrlich rot durch den einsamen Abend. Welche Idioten haben beschlossen, inmitten von Rübenäckern einen landwirtschaftlichen Nutzweg zur Zubringerstraße auszubauen? Es führen doch schon mehr als genug Verkehrsachsen von Westen nach Köln, und kaum zwanzig Meter weiter weg verlaufen Straßen- oder S-Bahngleise. Das sollte doch reichen, um in die Stadt zu kommen.
    Endlich! Grün. Herberger legt einen Gang ein und fädelt auf die Gegenspur. Wieder Betonplatten und Rattatong.
    »Ist es noch weit bis zu diesen Schrebergärten?«, erkundigt er sich mit angespanntem Blick in den Rückspiegel bei Herrn Engels.
    Der schüttelt das Lockenhaupt. »In etwa 800 Metern müssen wir rechts in einen Feldweg abbiegen, dann weiter bis zum Waldrand.« An Frau Schick gewandt fährt er fort: »Die Gärten liegen mitten in einem alten Laubmischwald. Sie haben zwar nur knapp drei Hektar Grund, aber dafür ist die Kolonie Waldfrieden völlig abgeschieden. Wir haben sogar Füchse. Es ist ein wunderbares Stück Natur.«
    »Hoffen wir’s. Hier sieht es jedenfalls furchtbar aus«, zürnt Frau Schick mit Blick auf die Straßenbaustelle. »Die reinste Mondlandschaft.«
    »Warten Sie ab. Es kommt noch schlimmer«, verkündet Herr Engels grimmig.
    Herberger sieht im Rückspiegel seinen wütenden Blick, der Frau Schick offensichtlich sehr zusagt. Kopfschüttelnd konzentriert er sich auf die letzten Meter dieses Himmelfahrtskommandos.
    Frau Schick ist in der Tat entzückt von Engels’ Zorn. Steht ihm ausgezeichnet. Scheint so, als flösse doch Rebellenblut in seinen Adern, auch wenn er sich bei Zerberus’ Befreiung anfangs nicht mit Ruhm bekleckert hat.
    Ihre Augen gleiten mit solidarisch entflammter Wut über das Aufgebot von Pistenwalzen und Flachbaggern, die Krater ins Feld gewühlt haben, als gälte es, der Erde ihr Herz zu entreißen. Sieht aus wie auf einem Schlachtfeld, findet sie.
    Schlachtfeld? Sie erstarrt und richtet sich im Lederpolster auf. Mit einem Mal kommt ihr das verwüstete Ackerland bekannt vor. Schrecklich bekannt.
    Herberger biegt ab. Der Jaguar schaukelt über den angekündigten, stark zerfurchten Feldweg. Schlamm spritzt auf. Na endlich, da vorne fängt der Wald an. Er will das Lenkrad links einschlagen und hineinfahren.
    Herr Engels

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