Frau Schick macht blau
Tochter hat sie auch schon ein leeres Gartenhäuschen samt Stockbett und Blümchentapete reserviert. Ja, langsam kommt wieder Leben in die Kolonie. Endlich.
Nellys Becky war ganz begeistert von der Idee, im Garten zu schlafen – allerdings erst, nachdem Blogger ihr Nachhilfe in Insektenkunde und seinen Schlafsack versprochen hat, was wiederum Nelly gar nicht passte. Der passt der ganze Blogger nicht. So was! Eine blaue Biene über dem rechten Auge ist doch kein Verbrechen und viel hübscher als diese gruseligen Schmisse, die Studenten einander noch zu Zeiten ihres seligen Herrn Papas mit Degen auf die Wange prügelten.
»Immer rechts halten, die Treppe macht im ersten Stock eine Biegung«, unterbricht Frau Schick sich in ihren Erinnerungen.
Es klirrt und scheppert.
»Oh, Pardon, ich meinte links«, korrigiert sie sich. Zu spät. Der abrupte Richtungswechsel muss der Orchidee im oberen Flurfenster den Garaus gemacht haben. Blogger lugt betroffen über das Geländer. »Haben Sie eine Kehrschaufel?«
»Einfach weitergehen«, kommandiert Frau Schick. »Den Blumentopf kehrt morgen meine Haushälterin zusammen. Sie putzt sehr gern und gründlich.«
»Nee, das mach ich gleich«, ruft Tom Blogger und hebt ächzend wieder die Matratze an.
Wirklich sehr hilfsbereit der Junge. Schon dass er vorübergehend in einem ihrer alten Waldbäume lebt, um diesen und Engels’ wilde Bienen vor Planierraupen und Holzfällern zu beschützen, zeugt von Charakter und Ritterlichkeit. Genau wie die Tatsache, dass er die verirrte Nelly samt Becky direkt zu ihr in den Garten gebracht hat.
Oh ja, ihren Koloniebewohner Blogger mochte Frau Schick auf Anhieb, und Blogger mag sie. »Unsere Waldfee«, wie er sagt. Prachtvoller Kerl! Kennt sogar Schopenhauer. »›Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten, aber kein Professor der Welt kann einen herstellen‹«, hat Blogger Frau Schicks Lieblingsphilosophen vorhin im Garten fehlerfrei zitiert. Für Becky. Auch das passte Nelly nicht. Genauso wenig wie Beckys leidenschaftliches Interesse an Bloggers Vortrag über Wissenschaftler, die zwar keine Käfer zertreten, aber in Laboren am Genom der Bienen herumbasteln, um keimfreie, herbizidresistente Turbobestäuber zu züchten, und über Professoren, die Roboterinsekten entwickeln wollen, weil unter Honig- und Wildbienen weltweit ein Massensterben herrscht und die Bestäubung von Obstplantagen, Äckern und Gemüsefarmen gefährdet ist.
Blogger hat sich dem Kampf für echte Bienen und Nistplätze wie die Kolonie Waldfrieden verschrieben. Um das auch optisch zu unterstreichen, hat er sich diese martialischen Stacheln durch die Brauen gebohrt. Dabei ist er der freundlichste Mensch der Welt, wenn man ihn nur tüchtig über Bienen ausfragt. Er plaudert dann wie ein Wasserfall und anders als Frau Pracht nicht lauter Unsinn, den kein Mensch versteht.
Dank Blogger hat Frau Schick inzwischen ungefähr begriffen, was Öl- und Hosenbienen sind und warum die Welt sie so dringend braucht wie Honigbienen. Wirklich eine hochmoderne Wissenschaft! Herr Engels ist auch tatsächlich Professor dafür, und sein mysteriöses Schloss hat sich als ein privates Forschungsinstitut für ökologische Bienen- und Insektenkunde entpuppt. Dort werden keine Roboterinsekten gebastelt, sondern ihre wilden Vorfahren gehegt, gepflegt und erforscht.
Das Schloss gehört natürlich nicht Herrn Engels, aber er war dort jahrelang Professor und Frau Pracht die allseits beliebte Kantinenchefin. Wegen ihrer Frühstücksmarmelade, sagt Blogger. Das alles steht – von Frau Pracht und ihrer durchaus erwähnenswerten Marmelade abgesehen – sogar im Lexikon, wie Frau Schick soeben überprüft hat.
Dass ihr das früher niemand gesagt hat! Dann hätte sie vernünftig mitreden können und hätte sich von der Walküre nicht so verwirren lassen. Na, sie will nicht nachtragend sein. Schon Schopenhauer hat gewusst, dass ein jeder trotz gleicher Umgebung in seiner völlig eigenen Gedankenwelt lebt. Das hat sich einmal wieder bestätigt. Und in ihrem Kopf kullern und klackern die Gedanken gelegentlich ja auch so rege umeinander wie Lottokugeln im Glasballon. Zuletzt bei Doktor Grünschnabel.
Ihr Transportteam schwankt auf die letzte Treppenflucht zu. »Das machen Sie beide sehr schön«, lobt Frau Schick und schenkt Blogger ein Extralächeln.
Beim Fest heute Abend will Blogger seinen Professor überreden, ihr neben dem Wildbienenprojekt auch seine private Notlage zu schildern.
»Wer uns hilft,
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