Frau Schick macht blau
Forschungsprojekt.«
»Oh, super!«, freut sich Becky. So viel Naturbegeisterung kennt Nelly bei ihr Tochter gar nicht. »Ich hab in Bio mal Fruchtfliegen auf einem verfaulten Apfel gezüchtet, war das eine Zählerei, ging in die …«
»Meine Tochter und ich wollten Sie keinesfalls stören«, unterbricht Nelly schroff, um die Gespräche über Bienchen und Blümchen zwischen ihrer wie elektrisiert grinsenden Becky und dem gepiercten Waldschrat zu unterbinden. »Verraten Sie uns einfach den Weg zu den Schrebergärten, dann können Sie weiterzählen.«
»Kann ich nicht«, entgegnet der junge Mann unwirsch. »Ihre Tochter hat gerade einen Schwarm Bombus terrestris verscheucht und eine besonders schöne Ölbiene erschlagen. Ich hoffe, es war nur eine Drohne.«
»Oh, sorry. Bomben- und Ölbienen hatten wir in Bio noch nicht«, murmelt Becky betrübt.
» Bombus terrestris ist eine Erdhummelart«, knurrt der Bienenfreund.
»Tut mir ehrlich leid«, beteuert Becky.
Nelly hegt den Verdacht, dass die Zerknirschung ihrer Tochter weniger der toten Hummel als ihren verschmähten Flirtsignalen gilt. Und richtig: Becky versucht es gleich noch mal. Unter Verwendung ihrer schärfsten Waffe, die sie gegen Nelly meist zum Einsatz bringt, wenn sie mit ihr verhandelt, wie lange sie ausbleiben darf: Sie macht riesige Lemurenaugen wie E. T. bei seinem Versuch, nach Hause zu telefonieren.
Der Tümpelfreak verfängt sich in Beckys Bettelblick und lenkt halbwegs höflich ein. »Wo wollten Sie denn hin?«
»Wir werden von Frau Schick und Herrn Engels in Garten 102, Block 3 erwartet«, präzisiert Nelly, um klarzustellen, dass sie sich keinesfalls planlos in diesem Wald herumtreiben und Freunde haben.
Im Gesicht des jungen Mannes vollzieht sich eine Wandlung. Seine Miene hellt sich schlagartig auf. Die Bienenbrauen glätten sich, sein Mund entdeckt die Kunst des Lächelns. »Sie kennen Frau Schick und den Professor?«
Nelly kraust verwirrt die Stirn. »Welchen Professor?«
»Herrn Engels. Sie sagten doch eben, Sie wollen zu ihm?«
»Klar kennen wir den Professor«, beeilt sich Becky, die Gunst des Augenblicks zu nutzen. »Frau Schick hat uns um Unterstützung gebeten, weil es in der Kolonie wohl mächtig viel zu tun gibt, mit den vielen Bienen und den Blumen und allem. Meine Mutter ist Frau Schicks Sekretärin … und ich will mich um den Esel kümmern. Huftiere sind voll mein Ding, außerdem brauch ich einen neuen Praktikumsplatz.«
»Becky«, wirft Nelly ärgerlich ein. Huftiere kennt ihre Tochter allenfalls aus ihren alten Bilderbüchern.
»Ach, so ist das«, freut sich hingegen der junge Mann. »Na dann, herzlich willkommen im Team. Wir können jede Unterstützung brauchen.« Er klopft erst Nelly und dann Becky anerkennend auf die Schulter. »Ich bin Tom. Unter Gleichgesinnten heiße ich Blogger.«
»Cooler Name. Ich bin Rebekka.« Nellys Tochter strahlt über beide Wangen. »Aber unter Gleichgesinnten bin ich Becky.«
Blogger Tom packt seinen Laptop in einen Rucksack und schiebt ihn sich über die Schultern. »Wir können gleich los, ist nicht weit«, sagt er. »Ich muss nur noch das Teil hier in Sicherheit bringen. Man weiß ja nie, wer sich im Wald so alles aufhält.«
Allerdings, denkt Nelly. Aber wenigstens kennt dieser Bienen- und Blumenfreak mit den Brauenstacheln den Weg. Oder doch nicht? Nanu, wo will der denn plötzlich hin?
Blogger zieht ein Seil so dick wie ein Glockenstrang hinter einem mächtigen Ulmenstamm hervor, zerrt daran, bis klappernd ein Klettergurt herabfällt, steigt hinein und erklimmt mithilfe eines Fallseils geschmeidig den Stamm.
»Wow, wie cool ist das denn!«, quiekt Becky. »Der hat da oben ein Haus!«
22.
Frau Schick reckt den Hals, späht Richtung Dachgeschoss und dirigiert mit erhobener Reitgerte eine Federkernmatratze und vier Füße. Das eine Paar gehört einem reizenden anatolischen Taxiunternehmer, der einen Mercedes mit Anhängerkupplung besitzt, weil seine Landsleute gern viel transportieren, das andere Paar Tom Blogger. Die Matratze gehört ihr. Das gute Stück muss vom Dachboden über drei Treppenfluchten in die Eingangshalle ihrer Villa hinabgeschleppt und in den Pferdeanhänger verladen werden.
Eine sehr nützliche Anschaffung, dieser Anhänger, denkt Frau Schick. Was da alles hineinpasst! Sogar ein Klappbett. Noch eine Nacht auf dem Laubensofa wäre ein bisschen viel verlangt für ihren Rücken, aber mit Matratze und Klappbett wird es hervorragend gehen.
Für Nelly und ihre
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