Frau Schick macht blau
und unter großzügigem Verzicht auf Mein-oder-dein-Fragen an das Thema heran. Nicht behutsam genug, wie es scheint. Sie muss den Verlust von Herrn Engels’ Hand in Kauf nehmen, die er in ihrer linken vergessen hatte.
»Worauf wollen Sie hinaus?«, fragt er herausfordernd.
»Wäre es nicht sinnvoll, eine Rückkehr in die offizielle Forschung zu erwägen?«, wagt Frau Schick unerschrocken einen weiteren Vorstoß. »Auch wegen Niklas. Sein Bauwagen ist natürlich recht hübsch, aber auf Dauer wohl kaum eine angemessene Bleibe. Blogger hat mir auch die wunderbare Wohnung geschildert, die Sie im Schloss besitzen, und als ehemaliger Mitbegründer haben Sie doch sicher ein Recht darauf, dort Ihre Forschung weiter zu betreiben.«
»Eine Rückkehr ins Schloss ist ausgeschlossen«, lehnt Herr Engels kategorisch ab.
»Aber warum?«
»Meine Entscheidung hat rein private Gründe«, antwortet der Professor mit ausdrucksloser Stimme, die unmissverständlich signalisiert: Halt dich raus.
»Ihre Bienen sind keine Privatsache«, kehrt Frau Schick flugs und wie von Blogger empfohlen zu Engels’ Forschungsinteressen zurück. »Ein Mann wie Sie gehört an die Öffentlichkeit und zurück in die Lehre, oder wollen Sie die Bienenkunde Kollegen überlassen, die Roboterinsekten bauen? Blogger hat mir empörende Geschichten über kommerzielle Hummelzucht und Hochleistungsbienen aus Genlaboren erzählt, die wie Kunstdünger an Landwirte verkauft und in Paketen durch die Welt verschickt werden – zum Einmal- und Wegwerfgebrauch in Gewächshäusern und Obstplantagen. Das kann ein leidenschaftlicher Bienenfreund wie Sie wohl kaum gutheißen.«
»Es gefällt mir ebenso wenig wie moderne Hühnerzucht oder Massentierhaltung, aber noch weniger gefällt mir Bloggers Art der Empörung, die wenig zweckdienlich und schon gar nicht in meinem Sinn ist.«
»Er hat mir versichert, dass Sie sein größtes Vorbild sind.«
»Das ist einer der Gründe, warum ich mich aus dem Schloss endgültig zurückgezogen habe. Ich tauge nicht als Vorbild. Im Gegenteil.«
»Die kleine Vorlesung, die Sie mir soeben gehalten haben, beweist das Gegenteil«, widerspricht Frau Schick. »Selten habe ich einen Menschen mit solcher Begeisterung von seiner Arbeit sprechen hören, und Bloggers Einsatz für Sie und Ihre Bienen in diesem Wald sind doch mehr als ein Hobby!«
»Ich sorge lediglich dafür, dass einige begabte Studenten ihre Diplomarbeiten unter meiner Anleitung abschließen können«, widerspricht der Professor.
»Was beweist, dass Sie Ihre Arbeit nach wie vor sehr ernst nehmen und ein außerordentlich verantwortungsvoller Mensch sind.«
Engels schweigt einen Moment. Scheint so, als trage er einen schweren Kampf mit und gegen sich aus. Seine Brauen spiegeln ein inneres Scharmützel zwischen Zorn und Verzweiflung. Wirklich seltsam, wie nah diese beiden Empfindungen bei ihm beieinanderliegen. Diesmal trägt maßloses Bedauern den Sieg davon.
»Ich bin alles andere als verantwortungsvoll, und darum werde ich – so leid es mir tut – demnächst auch diesen Wald verlassen müssen.«
Also so was, wo gehen die Reise und das Gespräch denn jetzt nur wieder hin?
»Nicht, wenn es nach mir geht«, protestiert Frau Schick verwirrt.
»In diesem Fall geht es nicht nach Ihnen und auch nicht nach mir. Sie selbst haben eben ganz richtig erkannt, dass Niklas auf Dauer unmöglich in einem Bauwagen leben kann. Ich bin froh, dass Sie den Wald erhalten, aber er ist für Niklas und mich nur eine Zwischenlösung, bis ich einen geeigneten Rückzugsort finde und …« Auch dieser Satz bleibt unvollendet. Engels’ Blick flüchtet sich zu einem Apothekenkalender, der Bronchialpastillen mit Panoramablick auf Matterhorn und koloriertes Alpenglühen bewirbt.
Für Frau Schick sieht es aus, als male er sich gerade einen Lebensabend als depressiver Alm-Öhi aus. Das sind doch keine Zukunftsperspektiven für einen Forscher wie Professor Engels und schon gar nicht für Niklas!
»Ach, Papperlapapp«, sagt Frau Schick barsch. »Warum sollten Sie sich zurückziehen? Sogar Oxford ist doch noch an Ihnen interessiert. Ein Ehrendoktor ist als Dozent und Forscher bestimmt immer gefragt. Und denken Sie nur an das Preisgeld!«
Die Furchen auf der Stirn des Professors gleichen zunehmend denen eines Bluthundes, der seine Fährte verloren hat. Ja, der Vergleich passt. Ihr Vater hat seine Bluthunde stets als die Gentlemen unter den Hunden bezeichnet, sanft, gutmütig und treu wie keine andere
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