Frau Schick macht blau
Rasse, aber sehr unleidlich und unglücklich, wenn sie ihrem ausgeprägten Beschäftigungsdrang nicht folgen können.
»Eine Reise nach Oxford ist unmöglich«, wehrt Engels trotz alledem energisch ab. »Ich kann mich dort unmöglich zeigen. Ich kann mich in meiner momentanen Lage nirgends zeigen.«
Himmel, so schlimm sieht der Cordanzug doch nun wirklich nicht aus! »Wenn Ihnen – warum auch immer – die Mittel für die Reise oder eine andere Garderobe fehlen, helfe ich gerne aus«, schlägt Frau Schick vor.
»Ein für alle Mal: Ich gehe nicht nach Oxford.«
Frau Schick kämpft unbeeindruckt weiter. »Am Camino betreibe ich bereits ein Hundeasyl, und Ihre Bienenrettung scheint mir mindestens ebenso dringlich zu sein. Wir könnten die Kolonie Waldfrieden noch ein wenig umgestalten. Ein schönes Labor hätte sicher noch Platz, und im Winter kann ich Sie und Niklas gern in meiner Villa aufnehmen.«
»Frau Schick, es gibt Schwierigkeiten, die mit Geld nicht zu lösen sind. Das habe ich selbst vergeblich versucht.«
»Jetzt ist es aber genug«, unterbricht ein ärgerlicher Aufschrei der Walküre Frau Schicks mühsam angebahnte Wahrheitsfindung. »Du verschwindest SOFORT aus meiner Küche!«
Frau Pracht schiebt und schubst den beschürzten Detlev an Frau Schicks Tischnische vorbei in Richtung Ausgang.
»Heidemarie, bitte, Sie müssen Herrn Töller nun wirklich verzeihen«, mahnt der Professor und windet sich aus seiner Sitzbank. »Dank Frau Schick sind die Baupläne doch jetzt vom Tisch.«
Sein Einwurf bremst weder den Zorn noch die Schubkräfte der Walküre.
»Ich verzeihe niemandem, der unseren Wald verhökern wollte, Herr Professor!«
»Ich wollte dir doch nur helfen, Heidemarie«, klagt Detlev, der im Rückwärtsgang vor ihr ausweicht. Zum Beweis hebt er eine tropfende Spülbürste.
»Raus hier!«, schnaubt Frau Pracht.
Der ist nicht zu helfen, empört sich still Frau Schick. Also wirklich! Einen Mann, der freiwillig seine Spüldienste anbietet, aus der Küche zu vertreiben – wie töricht und lieblos kann man denn noch sein? Dieser Frau gehört der Hintern mit der Spülbürste versohlt! Vor allem, weil sie den Professor von seinem längst fälligen Geständnis ablenkt. Jetzt muss sie gleich noch mal ganz von vorne anfangen, und die vertraute Stimmung ist völlig dahin.
»Heidemarie«, fleht Detlev, »Ich mache alles rückgängig! Es war doch nur ein Missverständnis!«
Frau Pracht will davon nichts hören. Zeternd und von einem begeisterten Saalpublikum verfolgt, drängt sie den wehrlosen Detlev weiter zum Ausgang. Im Windfang kommen beide abrupt zum Stehen. Detlev hat von hinten überraschend Rückendeckung erhalten, die er schüchtern willkommen heißt. Köpfe werden gereckt, Stille legt sich über den Saal, so als hielten alle Gäste kollektiv den Atem an.
Frau Schick muss auf die Zehenspitzen steigen, weil Herr Engels ihr die Sicht auf den überaus faszinierenden Neuankömmling versperrt. Alles Recken und Strecken hilft aber nichts, der Professor ist einfach ärgerlich groß. Frau Schick muss sich bücken, um einen Blick auf den späten Gast zu erhaschen.
Durch Herrn Engels’ in die Hüfte gestemmte Cordarme erspäht sie Hosenbeine aus nachtblauem Edelzwirn. Die Hosenbeine kommen ihr irgendwie bekannt vor. Ihr Blick fährt nach oben, aber da versperrt wieder Professorencord die Aussicht. Ihr Blick gleitet zurück nach unten und zu den blauen Hosenbeinen.
Sie enden über einem Paar glanzpolierter Budapester, verziert mit Lochmuster und aus feinstem Kalbsleder handgenäht.
Lackaffenschuhe!
»Pottkämper«, zürnt sie in die Stille hinein.
»Gnädige Frau, wir müssen reden«, antwortet der Grüßaugust geschmeidig und schiebt Herrn Töller achtlos in die Arme der Walküre. »Ihr angekündigtes Engagement für den Wiederaufbau der Kolonie Waldfrieden hat in unserer Firma – gelinde gesagt – beträchtliche Verstörung ausgelöst, um nicht zu sagen: Verärgerung. Dieser Wald gehört Ihnen nicht, und Sie behindern mutwillig und unter Vortäuschung falscher Besitzverhältnisse einen längst unterzeichneten Millionendeal.«
Pottkämper garniert seine Worte mit einem Triumphlächeln, das seine Augen ausspart.
Im Saal steht die Luft still. Alles wendet den Kopf zu Frau Schick und wartet auf ein fälliges Donnerwetter. Als Letzter dreht sich Herr Engels mit fragendem Blick zu Frau Schick um.
Sie starrt stumm in Pottkämpers Gesicht. Er starrt aus Augen zurück, die toten Knöpfen gleichen und
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