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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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Emeritierung in Cebreiro niedergelassen, um sich in die Tiefen der Kochkunst zu versenken. Geologen sind oft wunderliche Käuze, wissen Sie.«
    Warum erzählt Herberger mir das?, wundert sich Nelly. Sie kann aber nicht nachfragen, weil Enrique zurückkehrt, Wein einschenkt und Suppe ausschöpft, die noch warm ist.
    Die beiden Männer tauschen auf Spanisch lebhafte Erinnerungen aus. Leitfossilien kommen auch darin vor. Nelly isst und hört zu. Dass Leitfossilien so viel Begeisterung und Gelächter auslösen können, hat sie nicht gedacht. Es geht allerdings auch weniger um die Tücken der Gesteinsbohrungen als vielmehr um die Freuden nach getaner Arbeit.
    Und, Nelly horcht auf, es geht um eine Penelope.
    Enrique will von Herberger wissen, wie es ihr geht.
    »Gut«, antwortet Herberger. »Ich habe vor zwei Tagen zum letzten Mal mit ihr telefoniert.«
    »Und wie geht es ihrem Sohn?«
    »Er ist ein wenig vom Weg abgekommen.«
    »Schiefe Bahn?«, fragt Enrique betrübt.
    »Nein, das nicht«, sagt Herberger. »Ganz und gar nicht, aber Penelope macht sich Sorgen. Kein Wunder, bei dem Vater!«
    Enrique klopft ihm auf die Schulter. »Gut, dass du dich darum kümmerst. Penelope hat jahrelang darauf gewartet und Paolo auch. Da bin ich mir sicher.«
    Herberger schüttelt zweifelnd den Kopf. »Ich wünschte, du hättest recht.«
    Enrique seufzt. »Du hättest es verdient wie kein zweiter, Eckehart. Und Penelope auch.« Sein Blick streift Herbergers Kinn. »Ihr Lutz war der aufgeblasenste Nichtsnutz, den ich je kennengelernt habe.«
    »So spricht man nicht von Toten«, mahnt Herberger. »Außerdem war ich nicht besser als er, eher schlimmer.«
    »Unsinn«, sagt Enrique entschieden. »Dieser elende Nichtskönner und Säufer hat dein Leben und deine Karriere als Geologe und Edelsteinkenner ruiniert.«
    »Nein, das habe ich ganz allein geschafft«, widerspricht Herberger. »Lutz muss ich für vieles noch dankbar sein.«
    »Für den Irrsinn mit den Opalen von Coober Pedy? Nein.«
    »Ich war der Experte, nicht Lutz.«
    »Aber er hat dich auf die Idee gebracht und den Sprengstoff gekauft.«
    »Ich hätte es verhindern müssen. Ich kannte den Schacht, und Lutz war betrunken.« Herbergers Stimme wird immer trauriger.
    »Das wart ihr beide.«
    »Aber ich habe überlebt.«
    »Dir ist dein ganzes Leben mitten ins eigene Gesicht explodiert. Eckehart, wann begreifst du endlich, dass es ein Unfall war und kein Verbrechen? Du hast versucht, diesen Dummkopf zu retten!« Enrique greift nach Herbergers Hand und drückt sie. »In Coober Pedy explodieren alle naselang falsch berechnete oder falsch platzierte Sprengstoffladungen, weil da lauter hirnverbrannte Freaks die großen Schatzgräber mimen.«
    »Hirnverbrannte Freaks wie ich.«
    »Du bist und bleibst einer der besten Geologen und Gesteinskenner, die ich je zum Schüler hatte. Und heute bist du einer der verdammt besten Reisereporter. Ich habe deine Reisen auf deiner Homepage verfolgt. Beeindruckend, aber glücklich hat dich diese Umtriebigkeit nicht gemacht, oder? Es wird Zeit, dass Odysseus nach seinen Irrfahrten heimkehrt zu seiner Penelope. Meinst du nicht?« Enrique schaut Herberger eindringlich an.
    Herberger schweigt.
    Nellys Gesicht ist starr vor Staunen. Worüber reden die beiden? Und warum hat Herberger sie hierher mitgenommen? Warum will er, dass sie das alles hört? Sie wagt nicht zu fragen, das Schweigen der Männer ist zu intim.
    »Verzeihen Sie, Señora Nelly«, sagt Enrique schließlich auf Deutsch. »Unser Gespräch muss sie sehr gelangweilt haben. Es war unhöflich, nur in meiner Landessprache zu reden.«
    »Mach dir keine Sorgen darüber, Enrique. Nelly spricht hervorragend Spanisch, sie ist studierte Übersetzerin und hat alles verstanden. Nicht wahr?« Herberger wendet Nelly das Gesicht zu, ein furchtbar müdes Gesicht.
    Enrique starrt Nelly erschrocken an, seine Stirn legt sich in unruhige Denkerfalten. »Ach so ist das«, sagt er. Mehr nicht.
    Nelly hat zwar jedes Wort verstanden, aber nicht deren Sinn. Sie weiß nur, dass sie jetzt gehen will und keinen Augenblick länger in Herbergers Gesicht sehen kann, weil er so bemüht gleichgültig guckt, wie nur Menschen gucken, die traurig sind. Untröstlich traurig. Wie gut sie das kennt!
    Enrique bietet ihnen einen nächtlichen Besuch der Kirche an, die für ein Blutwunder und eine Madonna berühmt ist. »Ich habe einen Schlüssel«, sagt er. »Manchmal, glaube ich, hilft nur noch beten.«
    Herberger streift Nelly mit einem

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