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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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mir ehrlich leid, dass ich diesen Javier das »Phantom von Pamplona« und »schleimig wie eine spanische Nacktschnecke« genannt habe.
    Nelly holt verärgert Luft. Die spanische Nacktschnecke ist neu. Typisch Ricarda: Sie kann es auch jetzt nicht lassen! Sie liest weiter:
    Du hast ja recht, ich kenne ihn nicht und kann nichts über ihn wissen. Du allerdings AUCH NICHT. Und Menschen, die man nicht kennt, kann man nicht lieben, es sei denn, man ist Christus.
    Nelly, Du hast Becky oft genug Vorträge über das Abenteuer virtuelle Welt gehalten, über Portale wie Facebook und Schüler-VZ, in denen sich jede Menge gemeingefährliche Idioten mit freierfundenen Identitäten rumtreiben, um im Land der Ahnungslosen ihr Unwesen zu treiben.
    Frechheit! Sie – eine erwachsene Mutter – mit einer pubertierenden Fünfzehnjährigen zu vergleichen! Und außerdem hat sie Javier in einem seriösen Forum für freie Übersetzerinnen kennengelernt, nicht in einer x-beliebigen Datingfalle.
    Du bist unvernünftig wie ein Teenager! Was bitteschön hat ein weltberühmter Winzer und Finca-Erbe in einem äußerst frauenaffinen Internet-Klön-Club für DolmetscherINNEN auf Vokabelsuche zu suchen? Wenn Du sehr großes Pech hast, erfreust Du seit drei Monaten einen spanischen Gymnasiasten (und seine grinsenden Klassenkameraden) mit Deinen geheimsten erotischen Vorlieben und blumigem Cybersex. Wenn Du unverschämtes Glück hast, ist es nur ein einsamer 83-jähriger Straßenkehrer aus Torremolinos. Willkommen im Internet, wo sich Narren treffen, um Millionen andere zum Narren zu halten.
    Wie kommt Ricarda nur auf solch einen Unsinn? Blumiger Cybersex! Nelly hat ihrer Freundin nur zwei Mails gezeigt, eine von sich und Javiers Antwort darauf. Eine blitzsaubere und besonders lyrische. Denn der Rest ihres virtuellen Bettgeflüsters enthält Anspielungen, die nur für liebende Augen bestimmt sind, und Kosenamen, die keinen etwas angehen.
    Nelly wird rot vor Scham und heiß vor Wut. Sie schält sich aus ihrer Jacke und fächelt sich Luft zu.
    » Viño?« Der Baske bietet ihr mit besorgt zusammengezogenen Brauen erneut sein Weinglas an. Die Großmutter kramt in ihrer Krokotasche nach Eau de Cologne, findet aber nur die Veilchenpastillen.
    Nelly lehnt beides ab und vertieft sich wieder in Ricardas Mail.
    Gedichte und Liebesfilme sollte man an Dich nur gegen Vorlage eines Kassenrezeptes ausgeben. Drei hochdosierte lyrische Elaborate zu viel, und in Deinem Herzen kommt es zur emotionalen Kernschmelze, von Deinem Hirn will ich schweigen. Und komm mir jetzt nicht mit irgendeinem esoterischen Unsinn über Seelenzwillinge, weil dieser sogenannte Javier seine Mails aus Neruda-Gedichten abschreibt.
    Das ist doch die Höhe! Er zitiert den großen chilenischen Dichter doch nur ausführlich.
    Ich habe nichts gegen Neruda. Im Gegenteil. Zu meinen Lieblingszitaten gehört folgende Zeile: »Der Mann steht im Mittelpunkt und somit im Weg.«
    Selbstredend hat Neruda damit irgendeinen südamerikanischen Diktator gemeint und nicht Deinen Javier, der mich allerdings verdächtig an Deine Liebe zu Jörg erinnert, der Dich damals im Handumdrehen von einer selbstbewussten jungen Frau mit vielversprechender Karriere in ein winselndes Demutsschaf und dann in ein emotionales Sperrgebiet verwandelt hat. Wir haben Jahre gebraucht, um in der Asche Deines Inneren auch die letzten Funken Gefühl für diesen Windbeutel zu ersticken. Erst Deine Liebe, dann Deinen Groll. Und jetzt bist Du auf dem besten Weg, wieder als Trabant in die Umlaufbahn eines von sich selbst begeisterten Sonnengotts einzutauchen und dort elendig zu verglühen.
    Nelly lächelt schief. Ricarda muss gestern einen grauenhaften Tag im Frauenberatungszentrum erlebt haben. Das hat doch mit ihrem Liebesleben überhaupt nichts zu tun. Gar nichts! Javier und Jörg haben höchstens eins gemeinsam: den Anfangsbuchstaben ihrer Vornamen.
    Musst Du diesen Unsinn wirklich wiederholen? Du hast eine herbe Scheidung hinter Dir, Nelly. Ich bewundere jede Frau und jeden Mann, der so etwas durchsteht und mit geradem Rücken daraus herauskommt, aber Du hast nicht die üblichen drei, sondern bald zehn Jahre gebraucht, um über Jörg hinwegzukommen, und manchmal glaube ich, Du hast es noch immer nicht geschafft und willst es auch gar nicht. Du bist keine Frau für kurzlebige Beziehungen, dafür schätze ich Dich, aber was Du mit Deinem spanischen Mundschenk betreibst, erinnert verdammt an eine unterirdisch schlechte Folge von Bauer sucht

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