Frau Schick räumt auf
Lenden – mit einer nichtssagenden Zuckermaus. Das hat sie gewusst und diskret geregelt, denn Verhütungsunfälle wie er kommen nun mal vor, wenn viel Geld damit zu verdienen ist. Die Zuckermaus lebt jetzt auf Lanzarote und verprasst ihre großzügige Abfindung; der Sohn besitzt einen angemessenen Aktienanteil an der Schick und Todden GmbH und hat ein gesichertes Auskommen als Grüßaugust. Wie seine Mutter trägt er den wunderbaren Namen Pottkämper, den Frau Schick seit Paulchens Tod gern zu Kammerpott verschandelt. Davon abgesehen hat sie in dieser Geschichte stets tadellos die Haltung bewahrt. Durch so etwas muss man durch, so hat sie das gelernt. Sie ist ja nicht umsonst von altem Adel. Da haben Bastarde Tradition.
Aber die Geschichte mit Paul und Thekla? Ihrer Thekla. Das ist was anderes. Darum hat ihr auch keiner von beiden etwas gesagt. Dabei hätte Thekla nach ihrer Rückkehr nach Köln doch wirklich Zeit und Gelegenheit gehabt. Der Krebs kam ja erst viele Jahre später.
»Warum hast du mich belogen?«, fragt Frau Schick in Richtung Madonna.
Die Muttergottes lächelt versonnen.
»Ich hätte doch …« Frau Schick bricht ab. Was? Alles verzeihen können?
Nie und nimmer!
»Ich könnte dich umbringen, weißt du das!«, schleudert Frau Schick der Madonna ins Gesicht. »Wenn du nicht schon tot wärst, würde ich es tun. Mir so ein Schlamassel zu hinterlassen. Ein ganzes Leben als Lüge. Lüge. Lüge. Du falsches Galgenholz!«
Ein Schluchzer unterbricht Frau Schick. Sie schaut sich verdutzt um. Hoppla, der kommt aus ihrer eigenen Kehle. Sie fasst sich an den Hals, schiebt auf der Suche nach einem Taschentuch die Hand in die Hosentasche und greift in knisterndes Zellophan. Sie zieht den Pistazienstein hervor. Albernes Ding! Kein Taschentuch dabei, aber einen Knicker in der Tasche. Da hilft nichts. Sie zieht ganz undamenhaft die Nase hoch. Und atmet einen Schwall Rosenduft.
» Bon dia«, grüßt eine Baskin, die mit einem ausladenden Blumenstrauß vor der wogenden Brust neben der Kirchenbank auftaucht. » Por nuestra Señora« , sagt sie mit Blick auf die Rosen und gestikuliert in Richtung Muttergottes. » Bonita, eh?«
Schön? Frau Schick guckt zweifelnd. Die Baskin zieht eine Rose aus dem Strauß, legt sie neben Frau Schicks Wanderstöcke auf die Bank und tätschelt deren Schulter. Mit einem » Buen camino!« schlurft sie dann auf Pantoffeln in die Sakristei, wo sie wenig später mit Vasen herumklappert.
Rosen für Röschen. Ausgerechnet!
»Soll das vielleicht eine Antwort sein, Thekla? Da erwarte ich aber mehr von dir.« Frau Schicks Blick wechselt zum Gekreuzigten. »Und von dir erst recht.« Kurzfristig spielt sie mit dem Gedanken, ihm den Knicker ins Gesicht zu werfen, und hebt den Arm.
»Wie interessant!«
Frau Schick schreckt hoch und dreht sich um. Herberger! Seit wann drückt der sich schon hier herum?
»Was finden Sie interessant?«, schnappt Frau Schick.
Herberger deutet auf den hellgrünen Knicker. »Ein Chrysopras. Woher haben Sie ihn?«
»Chryso-was?«
»Den Zitronenchrysopras in Ihrer Hand. Ein Quarzmineral, das man zum Beispiel in Australien, Brasilien und in Polen abbaut. Wird gern gefälscht und durch grün gefärbten Achat imitiert. Darf ich?«
Frau Schick hält ihm das Tütchen hin. »Woher wissen Sie denn das schon wieder?«
»Hatte beruflich mal am Rande damit zu tun.« Herberger schält die Kugel aus dem Knisterpapier und hält sie prüfend in einen Lichtstrahl, der durch ein Kirchenfenster dringt.
Will er die Murmel zum Funkeln bringen? Ist doch kein Diamant und außerdem undurchsichtig. Wie der Mann selbst.
»Da ist ja etwas eingraviert«, sagt Herberger erstaunt.
Frau Schick schnellt hoch. »Wie bitte?«
Herberger dreht die Kugel zwischen Daumen und Zeigefinger. » Vade mecum et in pace – nunc et semper« , liest er vor und übersetzt: »›Gehe mit mir und in Frieden, jetzt und auf immer.‹ Hübsche Arbeit, und der Stein ist echt. Da scheint Sie jemand sehr zu lieben.«
»Wohl kaum, Sie oller Pomuchelskopp! Was machen Sie hier überhaupt?«
»Sie suchen. Bettina fahndet auch nach Ihnen, sie macht sich Sorgen.«
»Oh ja! Das kann sie besonders gut. Ich hoffe nur, sie macht sie sich am anderen Ende des Dorfes oder im Hotel. In jedem Fall weit weg von mir.«
»Nein, sie ist eben hier aus der Kirche gekommen.«
»Ach du lieber Himmel! Und warum hat sie sich dann nicht bemerkbar gemacht?«
Herberger zuckt mit den Schultern. »Sie wirkte etwas, nun ja, abwesend.
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