Frau Schick räumt auf
wurde verkleinert, und die Hände des Kindes, die bei einigen Figurengruppen eindeutig nach der Mutterbrust griffen, wurden …«
»Ernst-Theodor«, zischt Hildegard, »jetzt übertreibst du aber! Wir sind in einer Kirche!«
»Ich informiere lediglich über eine wissenschaftliche Diskussion. Bettina …«
»Was haben deine Sitzmadonnen mit Bettina zu tun?«
»Sie hat mich gestern beim Abendessen auf einen interessanten kulturpsychologischen Aufsatz aufmerksam gemacht.«
»Über was? Busengrapscherei? Das ist ja ekelhaft!«
»Es ging um mystische Frömmigkeit und Geheimnisse der Templer«, stellt Ernst-Theodor richtig. »Die Templer sind dafür bekannt, dass sie diverse Glaubenstraditionen aus Orient und Okzident miteinander verschmolzen haben. Der gesamte Jakobsweg, den unter anderem sie militärisch gesichert haben, zeugt von …«
»Busengrapschern?«
Das hält sie keine Sekunde länger aus! Nelly schlüpft aus der Bank, knickst einem Impuls folgend kurz und dankbar vor der Madonna mit dem Kind und eilt nach draußen.
Im Schatten des Wandelgangs, den von den Säulen herab steinerne Zauberer, Teufel und Bocksgesichter bewachen, sitzen Martha und Hermann auf einem Mäuerchen. Hermann betrachtet verträumt das Muster der Steine und winziger Halbedelsteine, die zu einem Fußbodenmosaik gelegt sind. An eine Säule gelehnt lauscht Paolo dem unvermeidlichen Herberger, der etwas von einer buddhistischen Dagoba auf Sri Lanka daherschwätzt, die wie der außen liegende Kreuzgang von Eunate Tore nach allen Himmelsrichtungen habe. Er murmelt etwas über die Begegnung mit buddhistischen Mönchen und – das darf ja nicht wahr sein! – landet ebenfalls bei den Tempelrittern!
Nelly verdreht die Augen. Der ist doch nicht ganz echt im Kopf. Wie kommt dieser Spinner darauf? Muss dieser promovierte Taxifahrer immer den allwissenden Guru spielen? Der ist noch schlimmer als Ernst-Theodor. Und leider erfolgreicher, denn Paolos Gesicht spiegelt eine Heldenverehrung, die Nelly ungesund findet. Auf einen Wink von Herberger löst der junge Mann sich sogar von der Säule, und die beiden Männer verschwinden.
Martha lächelt und klopft einladend auf die Mauer neben sich. »Ein wundervoller Ort, nicht wahr?«
Nelly nickt und schluckt. »Haben Sie vielleicht ein Handy? Ich würde gerne meine Tochter anrufen.«
Martha zieht ein Handy aus ihrem kleinen Rucksack. »Sollen wir weggehen, damit Sie ungestört sind?«
»Nein, nein, ich werde dort hinten telefonieren.« Nelly deutet auf eine Baumgruppe, nimmt das Handy und geht. Die Bäume umringen ein Wasserbecken, das aus einem unablässig plätschernden Hahn gespeist wird.
Nelly schnürt rasch die Schuhe auf und taucht ihre Füße ins kühle Wasser, dann wählt sie die Nummer von Beckys Handy. Sie will ihr dringend sagen, wie lieb sie sie hat. Immer und ewig und ganz egal, was kommt und wo immer sie oder Becky sich gerade aufhalten.
Es klingelt lange, bis sich ihre Tochter mit aufgekratzter Stimme meldet und sofort lossprudelt. »Hallo, Papa, bist du’s? Das ist der reine Wahnsinn hier. Die Make-up-Artistin ist gerade gekommen und die Stylistin, das ist so cool, die wollen mich total umstylen, und das Kleid von dir ist …«
»Becky, ich bin’s.«
»Mama?« Die Frage klingt halb erstaunt, halb wie ein Vorwurf. Beides schmerzt Nelly gleichermaßen.
»Schätzchen … Ich wollte nur sagen … Ich dachte … Also ich bin jetzt in Spanien.«
»Weiß ich doch. Und: Wetter gut?«
Nellys Stimme droht ihren Dienst zu versagen. »Ja. Du … Becky … Ich … Ich wollte dir sagen … Ich liebe dich.«
»Weiß ich doch.« Jetzt klingt Becky geradezu genervt. »Ich lieb dich auch, aber jetzt muss ich mich beeilen, heute Abend gehe ich mit Papa auf eine Riesenparty. Filmpremiere.« Sie zählt sämtliche Stars und Sternchen auf, denen sie zu begegnen hofft. »Und Papa hat extra für mich ein total tolles Kleid gekauft. Und weißt du das Allertollste überhaupt? Er hat mir einen Auftritt in seiner neuen Show versprochen! Und wenn’s gut geht, darf ich danach immer mitmachen.«
»Was für eine Show?«, fragt Nelly und muss schlucken.
»Sagt er mir erst, wenn er den Vertrag dafür hat.«
»Becky, bitte, das müssen wir erst miteinander besprechen.«
»Da gibt es nichts zu besprechen.«
»Becky, ich möchte nicht, dass du …«
Nelly merkt sofort, dass Becky ihr nicht mehr zuhört. Ihre Tochter hat offenbar gerade das Handy vom Ohr genommen und spricht nun in den Raum hinter sich: »Ja,
Weitere Kostenlose Bücher