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Frau Schick räumt auf

Frau Schick räumt auf

Titel: Frau Schick räumt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellen Jacobi
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Schick genau. Und ihre Haare schüttelt sie mit einem Mal, als seien die noch blond und nicht grau.
    Der Baske läuft zum Eingang, stellt sich in Positur, öffnet die Arme und holt die offizielle Begrüßung in seiner Funktion als Hotelchef nach: » Bienvenido, Señoras! Mi casa es su casa.«
    Das hat Frau Schick schon mal gehört und Bettina anscheinend auch: Mein Haus ist dein Haus. »Schön wär’s«, murmelt sie und betrachtet fasziniert die ockergelbe Fassade.
    »Genug gestaunt«, bestimmt Frau Schick. »Wir haben zu tun.« Darum lehnt sie auch den Kaffee und die Mandelplätzchen ab, die Señor Viabadel ihnen im blumenumwölkten Patio servieren möchte. Bettina muss auch aufhören, den riesigen Hund zu streicheln, der im Innenhof den Springbrunnen bewacht und nach den funkelnden Libellen schnappt.
    Immerhin, das muss Frau Schick zugeben, zeigt Bettina sogar in Sachen Tierliebe Anzeichen von Besserung. Quijote – so heißt das schwarze Kalb – ist nämlich ein gut genährter und gesunder Hund und kein Pflegefall, auch wenn sein Namenspatron ein Ritter von so hagerer wie trauriger Gestalt ist.
    Das Zimmer, das der Hotelchef für Frau Schick ausgesucht hat, liegt zum Innenhof und gleicht einem ländlich-luxuriösen Stillleben: ein prachtvoll geschnitztes Bett, eine ausladende Kommode, bunte Webteppiche und Sessel mit buntem Blumenornat vor gemauerten Natursteinwänden. Trotzdem denkt Frau Schick ganz kurz, dass Burguete echter war. Das Zimmer dort war kein makelloser Nachbau aus Designerhand, sondern schlicht in Würde gealtert. Langsam reizt es sie richtig, einmal eine waschechte Pilgerunterkunft kennenzulernen.
    Nun, sie ist nicht wegen der Möbel hier, sondern um mit Bettina einen Schlachtplan zu entwerfen. »Schlachtplan« klingt wuchtiger, als es ist – mehr als ein Scharmützel wird es kaum werden. Schließlich ist ihr gemeinsamer Gegner lediglich Paulchens Kuckucksei, der selten dumme Grüßaugust. Dieser Blindgänger schießt ja nur mit Platzpatronen. Für wie doof hält der sie eigentlich? Für ziemlich doof wahrscheinlich. Sonst hätte er wohl kaum gewagt, ein Betreuungsverfahren wegen Geschäftsunfähigkeit gegen sie ins Rollen zu bringen, um sie vom Chefsessel zu schubsen und sich selbst als ihr Sachwalter einzuklagen. Genau das hat ihr Paulchen, der ihr mit der Firma auch das Nachfolgedilemma vererbte, ganz sicher nicht gewollt, sonst hätte er den Grüßaugust ja in seinem Testament berücksichtigt. Deshalb wird Frau Schick den Grüßaugust verhindern und ihm mal zeigen, wo er hingehört.
    Bettina war früher wirklich Krankenschwester, hat sich inzwischen aber über Abendgymnasium, Fernstudium und sehr viel Ehrgeiz zur Psychologin hochgearbeitet und ist gelegentlich auch als Gutachterin in solchen Verfahren tätig. Sie wird Frau Schick dabei helfen. Bettina, das hat Frau Schick inzwischen herausgefunden, hat sich in den vergangenen Tagen extra dumm gestellt – sie nennt es »einfühlendes Verstehen« –, um Einblick in Frau Schicks angeblich fortschreitenden Realitätsverlust und ihren paranoiden Gotteswahn zu erhalten. Dabei ist sie in dieser Hinsicht – wie sie Frau Schick auf dem Pass der Vergebung gebeichtet hat – selbst nicht ganz dicht.
    Das heißt: Nein, so kann man das nicht sagen. Bettina glaubt nach einigen Jahren Arbeit in einer psychiatrischen Klinik lediglich, dass manche Irre weit normaler sind als der Rest der Welt. Deshalb will sie sich schon länger aus der Psychiatrie verabschieden, um sich fürderhin auf spirituelle Themen, das Seelenheil ihrer Mitmenschen und auf Tiere zu konzentrieren.
    Bettina kennt natürlich Schopenhauers Einlassung zu diesem Thema: »Seit ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere.« In Frau Schicks Augen ist das zwar nicht die größte Perle seiner Weisheit, aber Schwamm drüber. Auch große Philosophen neigen mitunter zu Aussetzern. Der Grüßaugust neigt ständig dazu. Einmal Pusten würde genügen, um ihn aus den Pantinen zu kippen.
    Was für eine aberwitzige Idee ihn getrieben hat: Bettina sollte auf dem Jakobsweg vorfühlen, ob und ab wann eine gerichtliche Feststellung von Frau Schicks Geschäftsunfähigkeit Aussicht auf Erfolg haben könnte. Um sie auf den Auftrag vorzubereiten, hat der Grüßaugust Frau Schick Bettina gegenüber als sehr besorgniserregenden Fall von Alterswahn mit schizophrenen Zügen geschildert. »Ein Wahn, der Hunderte von Menschen die Existenzen kosten könnte.«
    »Und das haben Sie geglaubt?«, hat sich Frau Schick auf

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