Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
wackere Bauersfrau half mir beim Ausladen meines zum Bersten gefüllten Kofferraumes und wies mir mein Kämmerlein unter dem Dach zu. Weil ich kein Reisebett mitgebracht hatte, musste der Stallknecht mir den Kinderwagen die engen Stiegen hinaufschleppen.
Ziemlich geschafft von des Tages Müh’ und Plag’ sank ich auf das durchgelegene Feldbett. Draußen war es bereits dunkel, und Nebelschwaden zogen vor dem Kammerfenster auf. Ich fröstelte und sehnte mich nach unserer gemütlichen Wohnung in Köln, nach meiner Wärmflasche und – wer hätte das gedacht! – nach Klaus.
Klaus hatte natürlich mitfahren wollen, weil er mein Fan war, wie er sagte, und zwar in jedweder Hinsicht. Außerdem wollte er mir in Bezug auf Paulchen zur Hand gehen und dabei mit links noch ein paar Videoaufnahmen von der singenden Hausfrau machen, die er dann stolz seinen Eltern vorführen konnte. Aus unerklärlichen Gründen herrschte ich ihn an, dass er gefälligst zu Hause bleiben solle mitsamt seiner Videoausrüstung und dass ich Fraus genug sei, mit so einer lächerlichen Doppelbelastung allein fertig zu werden. Schließlich hatte ich monatelang nichts getan als gesäugt und den Kinderwagen geschoben, und JETZT kam meine große Stunde der Selbstverwirklichung!
Nun hätte ich den griffig-knuffigen Landbären natürlich doch gern dabei gehabt, schon um mich ein bisschen an seiner breiten Brust zu entspannen.
Das könnte dir so passen, Kind.
Ist ja schon gut, Tante Lilli, sagte ich und weinte ein bisschen vor Einsamkeit.
Was WILLST du denn nun!? höhnte der Schweinehund. Zu Hause willst du nicht um die Häuserblocks schieben, und in der Fremde fängst du an zu flennen.
Das muss an den Hormonen liegen, sagte Tante Lilli. Stillende Mütter haben so was schon mal.
Ich nahm Paulchen aus seinem naturbelassenen Lammfell und drückte ihn an mich. Paulchen knarzte unwillig und schlief an meiner Schulter weiter.
Von unten rief die Bauersfrau, ob ich einen Pfannkuchen mitessen wolle.
Eigentlich hätte ich ganz gern gewollt, aber sie sollten nicht wissen, dass die weltberühmte Diva, die unter ihrem Dache weilte, mit rotverheulter Nase auf der Matratze saß und vor lauter Kloß im Hals nicht antworten konnte.
Ich lauschte auf das geschäftige Klappern dort unten in der Küche und auf die Schritte im Flur. Eine fette Spinne kroch von einer Zimmerdeckenecke in die andere. Ich kramte meine Noten aus dem Koffer und schlug sie damit zu Brei. Mit einem Requiem erschlug ich sie. Welche Spinne hat schon so einen würdigen Tod!
Später erwachte Paul. Sein treuer Blick aus großen, runden Augen, sein zufriedenes Schnaufen und seine Fäustchen, mit denen er meine Finger umfasste, während ich ihn stillte, stimmten mich dermaßen weinselig, dass Paulchen ziemlich durchnässt wurde.
Das arme Kind, sagte auch Tante Lilli. Kaum drei Monate alt, wird es schon in der Gegend herumgeschleift und muss in ungeheizten Kammern übernachten. Ganz zu schweigen von heute Nachmittag, wo er als Findelkind auf dem Polizeirevier landete!
Ich schluchzte, dass es uns schüttelte. Paulchen machte ein Bäuerchen.
Wenn doch Klaus hier wäre! Selbstverständlich hätten wir eine Suite im »Gasthaus zur Wildsau« gemietet, mit Fernseher und Minibar. Unser Paulchen hätte natürlich ein Kinderbett mit Spieluhr, und wir würden jetzt feierlich in der Wirtsstube zu Abend essen. Und die Bauern und Knechte am Stammtisch würden schüchtern zu uns rübersehen und ihre Stimme beim Skatspiel dämpfen, damit das Kindlein nicht erwachte. Leise, leise, fromme Weise.
Siehst du, Kind, ich hab’s gewusst. Ohne Mann kann eine Frau mit Kind eben einfach nicht durchs Leben gehen. Mit einem Blick auf mein Da-liegt-es-das-Kindlein-auf-Heu-und-auf-Stroh gab ich alles zu.
O ja, Tante Lilli, ich gäbe was drum, wenn er noch mal um meine Hand anhielte, schluchzte ich und sank dann vor Erschöpfung matt auf die spartanische Matte.
Karriere machen ist doof! Ich will eine Gattin sein!
Das Konzert habe ich in ziemlich unangenehmer Erinnerung.
Schon zwei Stunden vorher traf ich mich mit der Nichte der Bauersfrau, die man zum Kinderhüten engagiert hatte. Sie hieß Maike und sah auch so aus: rund und gepanzert wie ein Maikäfer.
Ich erklärte ihr die Handhabung des Kinderwagens, des Teeflaschenwärmers und der Penatencremedose. Sie beteuerte, sie habe fünf kleine Geschwister und könne sehr gut mit Säuglingen umgehen. Sie werde während des Konzertes ein wenig mit Paul spazieren gehen, ich
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