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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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was ist mit Paulchen?«, fragte ich entgeistert.
    »Entweder Sie nehmen ihn mit, oder er bleibt hier«, schlug Frau Schmalz-Stange vor. Manchmal konnte sie richtig pfiffige Vorschläge machen. Wer kann das heute noch.
    Ein Blick auf die Uhr: Es war zwanzig nach vier. Sofort stellte sich das Bedürfnis nach einer Klobrille ein. Ach, Herr, ich bin ein armer Wurm.
    Ich rannte zum Auto, hob Paulchen raus und legte ihn Frau Schmalz-Stange in den Arm. Dann holte ich den Kinderwagen, die Wickeltasche, die Teeflasche und die warmen Sachen zum Anziehen. Das Einzige, was ich Frau Schmalz-Stange nicht überreichen konnte, war mein Busen.
    »Was werden Sie Paulchen zu essen geben?«
    »Eine Banane oder so was«, sagte Frau Schmalz-Stange.
    »Warum geben Sie ihm nicht gleich Salzstangen und Cola? Der Kerl hat noch nie was anderes zu sich genommen als Muttermilch! Darum habe ich ihn und Sie und Sascha doch schließlich mitgeschleppt!«
    Frau Schmalz-Stange zuckte die Schultern. Hoffentlich würde sie nicht weinen.
    Wie konnte ich aber auch so grob mit ihr umgehen, wo ihr Sohn doch ein Kaiserschnitt gewesen war!
    Ich schaute erneut auf die Uhr. Fünf nach halb fünf. Im Ort gab es doch eine Apotheke! Die musste noch geöffnet sein. Bei uns in Köln-Klettenberg waren die Apotheken um halb fünf noch geöffnet.
    Ich flitzte zuerst aufs Klo und dann mit dem Auto in die Stadt. Was heißt »Milupa-Breichen« auf französisch?
    »Bon soir. Avez-vous quelque chose pour manger pour un bébé?« Die freundliche Verkäuferin verstand mich. Die Gegenfrage, die sie an mich richtete, verstand ich hinwiederum nicht.
    Vielleicht wollte sie wissen, ob das Baby schon Zähne habe, wie in einer ganz ähnlichen Filmszene?
    Oder sie fragte nur, ob das Kind Schokolade- oder Sanddorn-Geschmack bevorzuge?
    Eventuell fragte sie ja auch, welche Packungsgröße ich haben wolle …?
    »Je suis Allemande«, begann ich zu stammeln, »je ne comprends pas très bien français.«
    »O doch«, versicherte mir die freundliche Verkäuferin, und meine Aussprache erst, sie sei geradezu excellent, Madame! Dann wiederholte sie genau das, was sie vorher schon zum Thema Milupa-Breichen angemerkt hatte. Ich verstand sie nicht.
    Leider reichten meine Französisch-Kenntnisse nicht dazu aus, ihr in Windeseile klarzumachen, dass ich soeben dazu verdonnert worden war, meinen Milchfluss zu drosseln, und dass mein argloses Kind heute zum ersten Mal in seinem Leben an etwas anderem nuckeln musste als an mir. Außerdem, dass ich in größter Eile sei, da ich in nunmehr drei Stunden unwesentliche fünf Bach-Kantaten zu singen hätte, vor unwesentlichen fünfhundert Menschen, und dass ich nur noch unwesentliche 80 Kilometer auf unbekannter Strecke in der Dunkelheit fahren müsse, um in unwesentlichen 30 Minuten bei einer unwesentlichen Probe zu sein. Auch, dass ich für die völlig unwesentliche Anna Blau einspränge, konnte ich ihr in der erforderlichen Kürze und Prägnanz nicht klarmachen. Die Verkäuferin lächelte süß und verständnisvoll. Ja, ja, diese Ausländer! Nur Zeit, nur Zeit! Sie wird sich schon von den Lippen ringen, was sie will!
    »Je suis en prison«, sagte ich und trippelte nervös von einem Bein aufs Andere.
    Die Verkäuferin legte den Kopf schief wie ein Hund, der darauf wartet, dass man ein Stöckchen wirft. »Bien sur?«
    Hatte ich gesagt: »Ich bin im Gefängnis«, statt »Ich bin in Eile«?
    »Je n’ai pas de temps!«
    »Ich habe kein Wetter (?).«
    Verzweifelt tippte ich auf meine Uhr. Dabei hätte ich mir schon wieder in die Hose machen können.
    Die freundliche Verkäuferin wollte gerade »Hülfe« aus dem Hinterzimmer holen, da hörte ich ein mir vertrautes Schlüsselklirren und das bekannte Rotz-durch-die-Atemwege-Ziehen, verbunden mit dem derb-bayrisch hervorgebrachten Auswurf:
    »Hom’s Lokrritzn?«
    Schweinebacke! Den schickte der liebe Himmel! Vielleicht konnte der Französisch!
    Die Dame hinter der Theke war nun doch aufs Höchste verwirrt und flüchtete ins Hinterzimmer.
    »Aah die Frromuth Paalinne«, sagte der Kollege erfreut. Er KANNTE mich! Er wusste meinen Namen!! Wer hätte das gedacht! In der Wüste ist der Einäugige König.
    Ich erklärte ihm in Windeseile mein Problem.
    »Jo, und ii brraach Lokritzn, mey, mey Stimm ist heut völlick im Orsch«, antwortete er.
    Ich fand ihn zum Kotzen egozentrisch.
    Die Dame kam mit einer Schachtel Milchpulver und einem Herrn wieder. Der Herr hörte sich die bayerischen Urviech-Geräusche meines

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