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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Klappe hielten, weil sie den Mund voll hatten.
    NA UND???
    Mit Schaudern stellte ich fest, dass gar keine Glückseligkeit sich in mir ausbreiten wollte.
    Mensch, Pauline! Wotan Weich und Theresa Horn! Du sitzt mit ihnen an einem Tisch! Gleich werden sie womöglich Notiz von dir nehmen! Wenn das nicht die Chance deines Lebens ist! Womöglich springt ein Vorsingen beim Intendanten raus oder ein Einspringer in Hagen-Knispel! So FREU dich doch endlich! Kannst du nicht etwas anzüglicher lächeln und Heuchelbereitschaft signalisieren?! Mein Schweinehund stand geifernd vor seiner Hütte, die Kette zum Zerreißen gespannt, und die Vorfreude tropfte ihm von den Lefzen.
    Doch meine unberechenbaren, einfältigen und gefühlsduseligen Gedanken wanderten nach Klettenberg, in unsere Wohnung mit den Pupke-Kissen. Klaus saß bestimmt mit Frau Pupke am Küchentisch und mampfte ihr gutbürgerliches Klettenberger Einerlei, mit viel Senf und noch viel mehr »Wölls« und »Sachmas«. Musste köstlich schmecken. Vielleicht erzählte sie ihm zur Abwechslung wieder mal von seiner gefühlsarmen Ehe, die er doch schon so erfolgreich verdrängt hatte. Besonders gern schilderte Frau Pupke beim Essen eine Begebenheit, die mit dem unausgefüllten Doktorsfrauchen und mit erbrochenem Rotwein im Ehebett zu tun hatte, und von einer bis heute noch nicht gereinigten samtenen Schlafanzughose, die seitdem in einer Regentonne neben der Garage in Dunkelhaft vor sich hin modert, von Magensäure und Ehefrust zerfressen. Ich hörte diese Geschichte immer wieder gern, und Frau Pupke wusste sie auch jedes Mal nuancenreicher und farbiger zu gestalten. Das I-Tüpfelchen bildete die hübsche Pointe, dass Corinna, der anschmiegsame Schäferhund, dem erbrochenen Rotwein nicht widerstehen konnte und am Abend dieses kleinen Zwischenfalls einen richtigen Schwips hatte. WOLL!!! SACHMA!!!
    Angewidert legte ich mein Salatblatt in die Tunke zurück.
    »Du isst ja gar nichts!«, sagte Simon, der sich gerade genüsslich die Pfeife stopfte.
    »Musst du gerade sagen, du hast ja noch nicht mal die Speisekarte angeguckt!«
    »Eile mit Weile«, sagte Simon mit einer Gelassenheit, die mir das Wutpipi in die Blase trieb. »Nur keine hektische Hast.«
    Die Anderen waren längst fertig mit Essen, rauchten ihre Verdauungs- und Stimmbandanreger und kippten sich die kleinen Schnäpschen über die Cassata con moite calorie, da entschied sich Simon mit lässiger Geste zum Vertilgen einer gemischten Fischplatte. Ich kannte das schon an ihm; er wartete immer mit dem Bestellen des Essens so lange, bis das Lokal sich anschickte zu schließen. Da ich, liebestrunken in seiner Anwesenheit, sowieso nichts essen konnte, war das bisher nicht weiter schlimm gewesen. Heute fand ich es milde ausgedrückt absonderlich.
    Simon also zelebrierte mit großer Geste seine üblichen Essensvorbereitungen, als die Fischplatte dampfend und köstlich riechend vor ihm stand: Beseitigen jedweden Aschenbechers in seiner Reichweite, notfalls sogar auf dem Nachbartisch. Verrücken und Verschieben von Messer und Gabel, so lange, bis eine geeignete Position dafür gefunden wurde. Meistens übrigens genau da, wo sie vorher lagen. Hin- und Herrücken auf dem Stuhl durch Heben und Senken des Hinterteils. Kritisches Prüfen des Sauberkeitsgrades der Gabel durch angestrengtes Gegen-das-Licht-Halten. Daraufhin intensives Putzen und Wienern der Essbestecke mithilfe der Serviette. Erneutes Falten der Serviette. Wegstellen des Glases und der Karaffe mitsamt den dazugehörigen Untersetzern. Glattstreichen der Tischdecke. Fortknipsen eventuell vorhandener Krümel und Fusseln. Suchen des Taschentuches in verschiedenen Gesäßtaschen, dazu jeweils halbseitiges Aufstehen vom Stuhl. Behauchen und Putzen der zuvor mit rechts abgenommenen Brille, mehrmaliges Wiederaufsetzen derselben. Durchblicktest ins Helle und ins Dunkle. Forträumen und Beseitigen der Hühnerbrühendose, des Gummibärchenglases und der Pfeifengerätschaften, notfalls Deponieren derselben auf dem Nachbartisch. Erneutes Verschieben und Verrücken des Glases, der Karaffe und des Bestecks.
    Danach erstmaliges Berühren des inzwischen abgekühlten Tellers. Peinlichst genaues Prüfen, welcher Standort für den Teller der Geeignetste sei.
    Erneutes Nase-, Brillen- und Besteck-Putzen.
    Griff zum Kulturwerkzeug!
    In besonders günstigen Fällen nun erstmaliges Bissen-zum-Munde-Führen.
    Ich starrte immer wieder fasziniert auf Simon, der in der Lage war, die Vorfreude auf

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