Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
dich gerade beim Traurigsein? Ich kann auch später wieder anrufen!«
Ich überlegte, ob ich sein Angebot annehmen sollte.
»Nein«, sagte ich. »Wenn du jetzt auflegst, bin ich vermutlich noch trauriger als vorher.«
»Das kann ich nicht verantworten. Pauline Frohmuth traurig! Das können wir auf keinen Fall durchgehen lassen!«
»Nee, ne?«, sagte ich mit schwankender Stimme. Den Geiger schickte mir der Himmel. Traurigsein macht mir nämlich immer nur sehr kurzzeitig Spaß.
»Am besten, ich komme jetzt vorbei«, sagte Robert. Ich hörte ihn im Stadtplan blättern. »Ist gar nicht weit von hier, wo du da wohnst.«
»Nee, ne?«, sagte ich wieder, obwohl ich gar nicht wissen konnte, von wo er anrief. Im Hintergrund waren Paukenschläge und karnevalistische Gesänge zu hören.
»Hier ist irgendwie nichts los«, sagte der Geiger. »Ich komme zu dir. Schmeiß mal die Kaffeemaschine an!«
»Mach’ ich doch, Alter!«, schrie ich erfreut und knallte den Hörer auf die Gabel.
»Siehst du«, sagte ich zu meinem Schweinehund, der mir aus dem staubigen Flurspiegel tränenverquollen entgegenblinzelte, »das Leben hält doch ab und zu noch mal ein kleines Präsent für besonders engagierte Mitarbeiter bereit. Wasch dich, kämm dich, zieh dir was Anständiges an und deck adrett den Tisch.«
Der Mann ist ein anständiger Mann, und den lässt du in Ruhe, sagte Tante Lilli, während ich mir eine kalte Dusche verabreichte. Abhärtung muss sein. Das stählt.
Klar, lass ich den in Ruhe, sagte ich. Der ist gar nicht mein Typ.
Das heißt bei dir überhaupt nichts, sagte Tante Lilli. Du bist jetzt in einer labilen Phase. Hauptsache, die Diva tröstet einer! Da bist du nicht besonders wählerisch!
War ich doch noch nie, Tante Lilli, sagte ich versöhnlich.
Nein, Kind, wirklich nicht, sagte Tante Lilli kopfschüttelnd. Dein Geschmack bezüglich Männern ist zum Weinen.
Das haben wir doch gerade hinter uns, sagte ich. Jetzt fangen wir nicht wieder damit an!
Nein, Kind, aber fass dich kurz und sei nett und höflich zu dem Mann und mach ihm keine falschen Hoffnungen!
Denk bitte bei allem was du tust und sagst daran, dass du VERANTWORTUNG hast!
Wieso denn Hoffnungen, Tante Lilli, sagte ich spitzfindig. Der kommt doch nur mal auf einen Sprung vorbei, ein guter alter Kumpel!
Du weißt genau, dass er NICHT auf einen Sprung vorbeikommt. Der will was von dir, Kind, das hast du doch schon in Frankreich gemerkt!
Quatsch, Tante Lilli, sagte ich, während ich mir sehr sorgfältig die verheulten Augen schminkte.
Mein Schweinehund stand neben mir, auf einem Höckerchen vor dem Badezimmerspiegel, und hantierte etwas ungeschickt mit einem grellen Lippenstift herum.
Kind, MUSS das sein!
Wieso denn, Tante Lilli, ich mach mich nur ein bisschen nett. Hast du selbst angeordnet.
Nett ja, aber nicht aufreizend!
Ich kicherte.
Mein Schweinehund griff zum Lockenstab.
Diese wirre Löwenmähne von letztens musste doch wieder hinzukriegen sein! Die Haare gerauft hatte ich mir lange genug!
Kind, übertreib es doch nicht gleich wieder! rief Tante Lilli noch, bevor sie sich in Luft auflöste, weil es an der Haustür schellte.
Robert der Geiger hatte drei fettige Reibekuchen dabei. Die hatte er am Bahnhofsvorplatz an einer Bude erstanden.
»Wie ich dich kenne, hast du noch nichts gegessen«, sagte Robert zur Begrüßung und reichte mir das ölige lauwarme Päckchen, dem ein appetitanregender Duft entströmte.
Ich umarmte den Geiger eine Spur zu herzlich, was zur Folge hatte, dass unser beider Outfit durch nie mehr zu beseitigende Fettflecken verunziert war.
»Du siehst gut aus, Pauline«, sagte der Geiger.
Tja, nicht wahr? antwortete mein Schweinehund selbstgefällig, und Tante Lilli wendete sich ab, um sich für mich zu schämen.
»Du aber auch!«, sagte ich zu dem Geiger, obwohl das eine eher subjektive Beurteilung war. »Komm doch rein und leg ab, und was willst du essen, trinken, rauchen, lesen, schlafen, fernsehen, telefonieren, Pipi machen …«
Ich nun wieder. Originell wie eh und je.
Robert sah sich neugierig in der Wohnung um.
»So wohnst du also … wer hätte das gedacht!«
»Tja, nicht wahr?«, sagte ich beschämt. »Ich wohne hier leider nicht alleine.«
»Nein, da draußen am Türschild stehen allerhand Namen«, sagte Robby.
»Wir sind hier so eine Art … Zweckgemeinschaft«, sagte ich und friemelte verlegen die Reibekuchen aus dem Ölpapier.
»Alles Künstler?«, fragte Robert der Geiger und deutete auf ein
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