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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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nahm, war immer noch nichts von Simon zu sehen. Die Ouvertüre war vorbei, der Beifall verebbt. Die Lautsprecherstimme rief einige Herrschaften aus der Kantine: »Bitte bereithalten, noch fünf Minuten bis zum Auftritt!«
    Oh, wie aufregend! Es raubte mir den letzten Nerv. Simon! Wo er nur steckte! Warum holte er mich nicht endlich von diesem Bänkchen ab!
    Die Uhr zeigte halb neun. Der Pförtner las.
    Mit einem kalten Luftschwall ergoss sich ein verkleideter gemischter Chor ins Innere. Unter sehr viel Lärm wanderte die Schar durch den langen Gang davon.
    Selbst diese Gernegroße durften da rein! Und ich, die vielversprechende Solistin, hockte auf der zugigen Bank!
    Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und klopfte an des Pförtners Scheibe. Die Zeitung sank. Der Mann hatte keine Pickel.
    »Ja?«
    »Ich warte auf Herrn Reich!«, rief ich durch die Scheibe.
    »Herr Räisch hat Vorstellung«, sagte der Pförtner. »Dat dauert noch!«
    »Ich weiß, dass er Vorstellung hat«, rief ich genervt. »Er wollte mich ja mitnehmen hinter die Bühne!«
    »Da wäis isch nix von! «
    »Jetzt wissen Sie’s!«, rief ich. »Können Sie Herrn Reich nicht ausrufen lassen?«
    »Nä«, gab der Pförtner freundlich Auskunft. »Der singt jerade.«
    »Das kann nicht sein«, brüllte ich frustriert. Diese blöde Glasscheibe verhinderte jedwede gezügelte Kommunikation.
    Der Pförtner erhob sich und öffnete mir seinen Verschlag. »Komma kucken, Frolleinsche!«
    Auf einem kleinen Fernsehschirm tummelten sich die Bühnengestalten. Den Ton hatte der Pförtner abgedreht, damit er in Ruhe Zeitung lesen konnte.
    »Na, isser dat?«, fragte er und tippte mit dem Zeigefinger auf den Bildschirm.
    Tatsächlich. Das war Simon. Er hatte eine Puderperücke auf und das Kostüm eines Haushofmeisters an. Mit einem geschnörkelten Stab wedelte er der verkleideten Fregatte Theresa unter der Nase herum. Eine Thermoskanne schien er nicht dabei zu haben.
    Aber er war es eindeutig. Simon.
    Und er hatte mich vergessen.
    »Na, isset juht?«, fragte der Pförtner und setzte sich wieder hinter seine Zeitung.
    »Aber ich bin seine Freundin!«, sagte ich, während ich seinen Glaskasten verließ.
    »Dat saren se alle«, grinste der Pförtner und ließ die Tür hinter mir ins Schloss schnappen, »da hätt der ‘ne janze Menge von!«
    Ich sank auf die Holzbank zurück.
    Simon.
    Er hatte mich vergessen.
    Er durfte da drinnen sein, in der Welt der Begnadeten, und sich auf der Bühne selbstverwirklichen, mit dem Stab wedeln und in der Pause mit den Chormädels flirten.
    Und ich? Ich saß hier draußen auf der Holzbank. Einsam und lächerlich. Zum Gespött des gesamten Personals einschließlich Pförtner und gemischtem Chor!
    Als die Stimme aus dem Lautsprecher das Ende der Pause verkündete, zeigte die Uhr über der Tür fast zehn. Ich erhob mich leise und heimlich von meinem Bänkchen und schlich in die kalte Nacht davon.
    Aus der gegenüberliegenden Künstlerkneipe hörte ich Gelächter und Stimmengewirr. Jetzt bloß keinem Bekannten von Simon begegnen! Alle hatten mich gesehen, wie ich blass und blöde von dem Bänkchen blickte!
    Was vermeid’ ich denn die Wege, wo die anderen Wandrer geh’n? Suche mir versteckte Stege durch verschneite Felsenhöh’n?
    Weil ich weder Wotan Weich noch anderen Chargen um den König Herodes begegnen wollte, ging ich auf einem anderen Weg wieder in mein Land.

Ich weiß nicht, woran es lag, aber als Klaus mich bald darauf fragte, ob ich mit ihm am Wochenende zu einem Kongress nach München fahren wolle, sagte ich spontan zu.
    »Du müsstest dich allerdings etwas feiner anziehen«, sagte Klaus, indem er mein lässiges Outfit musterte.
    »Aha«, sagte ich und schluckte.
    Wie du kommst gegangen, so wirst du empfangen.
    Ich trollte mich beschämt an meinen Kleiderschrank und durchforstete ihn. Paulchen hatte ich zur Beratung hinzugezogen: Er lag auf dem Bett, grunzte freudig und kaute auf seinem Beißring.
    Ärztekongress. Knigge würde seiner Gattin zu dem Kleinen Schwarzen raten.
    Besaß ich aber nicht. Schon aus Prinzip. Auch das brustfreie Graumelierte hatte die schlampige Arztgattin sich immer noch nicht angeschafft, und das figurbetonte Zeitlose kannte er schon. Von meinem Auf- beziehungsweise Abtritt in der Singakademie. Damals. Als Paulchen sich anmeldete.
    Versonnen durchwühlte ich meine Abendkleider.
    Das bodenlange in Lila mit dem Samtkragen eignete sich wahrscheinlich ebenso wenig für die Münchner Schickeria wie das weiße

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