Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
… Also ich fänd das nicht schick. Woll, Paulchen. Mach getz nich Pipi, Tante Pupke tut getz nähen. Also ich find das nich schick. Sachma.«
Letzteres beruhigte mich. Was Achnes schick fand, waren selbstgestrickte Pullöverchen in Rosa und Blö, je nachdem, ob Männlein oder Weiblein darin steckte, und Faltenröcke von der wadenlangen Sorte. Dazu Mäntel in Grobgraugerastert mit einem peppigen Kopftuch in Flanell.
Echt schrill, die Achnes!
Das Kleiderkürzen dauerte fünfeinhalb Stunden, in denen ich vermutlich sämtliche Kaufhäuser Kölns nach runtergesetzten Reine-Schurwolle-Fummeln hätte durchforsten können und in denen Paulchen mindestens achtmal Pipi in die Hose machte, obwohl er zwischendurch schlief. Aber diesen groben Erziehungsfehler war es Achnes wert, dass ich ihr fünfeinhalb Stunden lang zuhören musste. Ich kannte nun ihr ganzes Leben. Alle dreihundertfünfundsechzig Tage ihrer einundsechzig Jahre hatte sie mir erzählt. Und sie hatte keinen Tag ausgelassen. Nur ein paar Stunden vielleicht. Aber einzelne. Und die konnte sie ja bei passender Gelegenheit nachholen.
Woll!
Simon war nicht besonders enttäuscht, als ich ihm zur Auffrischung unserer unverbindlichen Matratzen-Beziehung unterbreitete, dass ich am Wochenende zu einem Ärztekongress fahren würde. Mit einem Arzt, versteht sich.
»Wie schön für dich, Spätzchen. Viel Spaß!«
Ich wartete auf ein paar leidenschaftlich inszenierte Eifersuchtsszenen, aber die blieben aus. Das waren wir unserer unverbindlichen Beziehung schuldig, dass wir einander keine Szenen machten!
Simon genoss wieder mal die exotische Mischung aus Pfeifentabak und Gummibärchen und sah sich dabei einen Western an. Sein Schwarzweißfernseher hatte die Größe einer Postkarte und passte deshalb auf die rechte hintere Tischkante.
In den Rocky Mountains schneite es heftig, und die ameisengroßen Pferde galoppierten durch das Schneegestöber.
Das Spätzchen flatterte in die Kochnische und holte sich ein paar Brosamen aus der Aldi-Kiste, wobei es sich bemühte, keinen Gegenstand von seinem angestaubten Platz zu entfernen, und trollte sich auf die ihm zugewiesenen zwei Quadratmeter auf der Matratze. Der Western interessierte es nicht, also grübelte es in seinem Spatzenhirn herum.
Irgendwie war das mit Simon möglicherweise doch nicht das große Liebesglück.
Die Unverbindlichkeit dieses Mannes war zwar einerseits recht amüsant, andererseits entdeckte ich zu meinem eigenen Erstaunen den Wunsch, einmal so richtig vereinnahmt zu werden.
Kind, was soll denn das nun wieder. Ich denke, wir sollen dich alle in Ruhe lassen!
Ja, aber jetzt nicht mehr, raunzte mein elender Schweinehund beleidigt. Jetzt sollt ihr euch alle um mich kümmern. Ich bin einsam!
Aber du WOLLTEST doch immer so gern einsam sein. Dich am liebsten nur mit Wärmflasche und deinem unvermeidlichen Quark aufs Sofa verkriechen und keinem die Tür aufmachen. Was ist denn jetzt schon wieder los, du launische Diva?
Jetzt will die Diva einen Mann, sagte ich trotzig. Einen, der mich eifersüchtig bewacht und mich mindestens zehnmal am Tag fragt, wie es mir geht.
Aber Kind! Solche hast du doch früher mit Leidenschaft gegen die Wand geschmissen!
Jaja, sagte ich gereizt. Ist ja auch noch kein Prinz vom Himmel gefallen!
Da muss man was für tun, Kind. Denk mal an Schneewittchen. Die hat gleich sieben Zwergen den Haushalt geführt, und du tust das noch nicht mal für einen! Apropos: Was ist mit deinem Kind? fragte Tante Lilli scharf. Das lässt du von einer bösen Stiefmutter großziehen. Ist das zu verantworten? Um einer fragwürdigen Karriere willen? Glaub mir, Simon Reich ist nicht der richtige Umgang für dich! Er beeinflusst dich ganz negativ. Du lebst so ziellos in den Tag hinein, genau wie er!
Mein liebes, armes, unschuldiges Paulchen! Ich wollte doch meine gesamte Freizeit mit ihm verbringen und mehr als das! Aber Tante Pupke ließ mich nicht. Die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los! Die ganze Selbstverwirklichungsidee schrumpfte zu einem jämmerlichen Häufchen Selbstmitleid zusammen.
Betrübt schlich mein Schweinehund in seine Hütte zurück und zog die Tür hinter sich zu. Nur noch ein Stückchen von seinem ruppigen, borstigen Stummelschwanz guckte raus.
Sollte eine Änderung deines egoistischen Lebens angebracht sein?
Ach was, sagte ich ärgerlich. Ich bin eine Karrierefrau mit der nicht zu unterdrückenden Berufung, meine Stimmbänder im Winde der Öffentlichkeit flattern zu
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