Frauen al dente. (German Edition)
absetzen?« bot er trotzdem an.
Eine Spur zu heftig winkte sie ab. »Nein, vielen Dank, wirklich sehr nett von Ihnen, aber ich bin selbst mit dem Wagen da.« Eine glatte Lüge, doch sie verspürte nicht die geringste Lust, die wenigen Straßen bis nach Hause neben ihrer Chefin im Wagen zu sitzen. FrostigesKlima war angesagt, und sie hatte die Handschuhe vergessen.
»Wie Sie wollen. Ich melde mich bei Ihnen!« Marlen lächelte überrascht. Seine Worte konnten nichts anderes bedeuten, als daß er ihr noch eine Chance gab. Und dies, obwohl er nun wußte, daß sie neben dem Beruf auch noch für ein Kind zu sorgen hatte.
»Ich freue mich«, sagte sie schlicht. Was ganz und gar der Wahrheit entsprach.
Kapitel 11
Freitagmorgen.
Die Frau links von ihr und die Frau ihr gegenüber waren unübersehbar schwanger, und aus dem Nebenraum drang das rhythmische Pochen des CTG zu ihnen herüber. Noch eine Schwangere. Angesichts von soviel Fruchtbarkeit fühlte Hella sich wie ihre eigene Großmutter. Obwohl der Vergleich bei strenger Betrachtung hinkte. Ihre eigene Großmutter wußte, wie sich ein Baby im Bauch anfühlte. Hella hingegen tappte in dieser Hinsicht völlig im dunkeln. Wahrscheinlich litt ihre Gebärmutter längst unter einer ausgesprochenen Gebärdepression. Die sich sogar rechnerisch beziffern ließ. Die erste Menstruation mit dreizehn, in Abständen von 28 Tagen. Eine Regelmäßigkeit, auf die Hella durchaus stolz war. Im nicht mehr ganz so zarten Alter von 36 Jahren konnte ihre Gebärmutter damit summa summarum auf insgesamt 276-maligen Nestbau und ebenso häufiges Wiederabbluten zurückblicken. Ohne ein einziges Erfolgserlebnis. Doch in der sicheren Gewißheit, daß ohnehin bald alles zu spät sein würde. Und das Schlimmste war – Hella hatte es sich nie anders gewünscht.
Unauffällig schielte Hella nach einer Broschüre im Handtaschenformat, die griffbereit auf einem Beistelltisch nur wenige Schritte von ihr entfernt lag. Wechseljahre – Chance oder Schicksalsschlag? Doch sie getraute sich nicht, sie zur Hand zu nehmen.
Sie liebte ihren Beruf. Er gab ihr alles, wonach sie sich sehnte. Sicherheit und sogar Wärme. Nirgends fühlte sie sich so heimisch wie hinter ihrem Schreibtisch. Um so mehr irritierte sie das Branchen-Credo. Mobilität war gefragt. Spitzenleute mußten frei verfügbar sein. Räumlich und persönlich. Wenn die Leitung der Kreditabteilung nicht das Ende ihrer Karriereleiter bedeuten sollte, mußte sie sich entscheiden. Und zwar bald. Dann würde sie sich in Kürze in Frankfurt, Berlin, Paris oder sogar New York wiederfinden. Ein Jahr New York lag bereits hinter ihr. Zusatzausbildung auf Kosten der Bank. Wie hieß es so schön? Wer es in New York schaffte, schaffte es überall auf der Welt. Nun, sie hatte es geschafft, folglich mußte sie sich für alle Wechselfälle des Lebens gerüstet fühlen. Zumindest für die beruflichen. Wie aber sah ihr Privatleben aus?
Hellas Blick wanderte hinüber zu der jungen Frau, die mit verklärtem Gesicht unablässig über ihren Bauch streichelte. Automatisch unterzog Hella sie einer gründlichen Analyse. Sie schätzte ihr Alter auf höchstens zwei-, vielleicht dreiundzwanzig. Ihr Leben lag im wahrsten Sinne des Wortes noch vor ihr. Wahrscheinlich hatte sie gerade die ersten Schritte im Berufsleben getan. Oder schlimmer noch, sie befand sich mitten im Studium. Unwahrscheinlich, daß sie es wie geplant fortsetzen konnte. Das Baby bedeutete mindestens ein Semester Verlust, unter Garantie. Hella suchte unauffällig nach einem Ehering an der Hand der jungen Frau. Vergeblich. Auch das noch. Eine alleinerziehende Mutter. Sie würde die besten Jahre ihres Lebens damit verbringen, für sich und ihr Kind den Unterhalt zu sichern. So wie es bei Therese gewesen war, Lisas leiblicher Mutter.
»Guten Morgen!« Die Köpfe der wartenden Frauen ruckten nach oben. Ein Mann in den heiligen Hallen der Frauenärztin, ein Ereignis, so selten wie ein Lottogewinn mit Zusatzzahl. Hochgewachsen, blond und blauäugig nahm er mit strahlendem Lächeln und unübersehbarem Stolz neben der jungen Schwangeren Platz. Hella blickte diskret zur Seite, als er sie mit innigem Kuß begrüßte.
»Sie sind fertig, mit Gravur, wie bestellt.« Die Hälse der übrigen Anwesenden fuhren aus, um einen Blick auf das Schmuckkästchen in seiner Hand zu erhaschen. Zwei goldene Eheringe Seite an Seite auf dunkelblauem Samt.
Also doch keine alleinerziehende Mutter.
»Frau Merten bitte ins Labor!« Die
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